Fenster zur Welt

Reisebilder des Berliner Malers Wolfgang Leber in der Galerie der Berliner Graphikpresse

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist mitunter als der Franzose in Berlin bezeichnet worden, aber so wenig ihm diese Bezeichnung gefiel, so wenig ist sie auch für ihn zutreffend. Mag ihm die französische Moderne Anregungen vermittelt haben - aber da müssen dann auch die Malerei des »Blauen Reiter«, die Neue Sachlichkeit und der Konstruktivismus genannt werden - , sie konnten auf ein so ursprünglich malerisches Talent wie Wolfgang Leber nur einen befreienden, nicht bestimmenden Einfluss ausüben. Jede Verabsolutierung einer programmatischen Richtung hätte ihm als intellektuelles Korsett erscheinen müssen. Vielleicht hatte er anfänglich nur dieses Ziel vor Augen: keinen Stil zu wollen, aus allen Einengungen zu einer voraussetzungslosen »malerischen Malerei« zu gelangen.

Das wird deutlich ablesbar an seinen Reisebildern aus vier Jahrzehnten, die er jetzt in der Galerie der Berliner Graphikpresse zeigt: Ölbilder, Zeichnungen mit Bleistift und Farbstift, Feder und Tusche, Aquarelle, Pastelle, Lithografien, aber auch bildhauerische Arbeiten aus Eisen, Bronze und Sandstein. Von der Lithographie »Dorfstraße in Polen« (1967) über Ansichten aus dem damaligen Leningrad oder bulgarische Landschaften aus den 70er Jahren, das Paris-Erlebnis von 1981, die Frankreich- und Italien-Impressionen der 90er Jahre, Rhodos, Nida (Litauen), Holland, der Süden Frankreichs, Venedig, die Toskana des letzten Jahrzehnts bis unmittelbar in das Jahr 2012 reichen seine Arbeiten.

Malerei muss immer wieder beim ganz Elementaren beginnen: bei der ergriffenen Anschauung der Welt. Ursprünglichkeit und Naivität lassen die frühen Arbeiten als Signum des Schöpferischen erkennen. Dieses Ausgehen vom Erlebnis und der Wille, dieses Erlebnis mit ausschließlich malerischen Mitteln zu erfassen, haben Leber vor allzu großen Umwegen und Ablenkungen bewahrt. Das Kunstwerk aus Farbe gibt uns eine Erfahrung menschlicher Existenz ganz autonomer Art. Der Farbe ist ein Ausdruckswert eigen, der sie zu einer Sprache unserer Gefühle macht. Immer wieder besticht der Kolorismus, den Leber durch die differenzierte Brechung der Farbe in Tonigkeiten zu erzielen vermag.

Die Farbe besitzt aber auch eine raumbildende Kraft: Sie tritt vor oder weicht zurück, Leber vermag mit Farben eine Tiefe zu schaffen oder sie ganz als Fläche wirken zu lassen. Das Bild als Ort von Durchdringungen und Entgegensetzungen. Der Künstler gibt keinen Guckkasten-Ausschnitt mit dem Bildmotiv, sondern rafft soviel Welt wie möglich von beiden Seiten, von oben und von dem unmittelbar vor ihm liegenden Grund auf die Leinwand, auf das Papier, so dass gelegentlich mehrere perspektivische Ansätze miteinander verschmolzen werden zu einem Erlebnisraum aus Farbe. Mit diesem Verfahren rückt er den Dingen ganz dicht auf den Leib, überführt - vor allem in den jüngeren Arbeiten - den Raum in die Bildebene, in einen Reliefraum, wie er auch in seinen Sandstein-Arbeiten zu erkennen ist.

In »Paris« (Öl, 2010) reflektiert die Bildoberfläche die »Haut« der Stadt Paris mit ihrer Reklame und den Plakaten, diesem Wald von massenproduzierten Imperativen. Leber kann eine Überfülle ordnen und ihr doch funkelnde Leuchtkraft verleihen, im abgehackten Rhythmus knapper Formen, die über etwas gemalt sind, was wie ein abstrahierter Blick aus einem Fenster auf die Welt da draußen anmutet.

Im Mittelpunkt seines Schaffens steht der Motivkreis, der von der Stadtlandschaft, Natur und Stillleben gebildet wird, oft ineinander verschränkt wie bei den Stillleben vor Fenstern, durch die die jahreszeitlich unterschiedliche Landschaft sich mit dem Interieur zu einer geschlossenen Vision des menschlichen Lebensraums verbindet.

Bis 28. September, Galerie der Berliner Graphikpresse, Gabelsberger Str. 6, Mi.-Fr. 13-19 Uhr, Sa. 11-15 Uhr

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