Besuch beim Schneckenmann

Unweit von Sangerhausen betreibt Heinz Strache die größte Schneckenfarm Deutschlands

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 30 Schneckenfarmen gibt es derzeit in Deutschland, die größte von ihnen steht in Hermerode bei Sangerhausen (Sachsen-Anhalt).

Heinz Strache beugt sich über die Umfriedung, greift eins der langen Bretter, die innerhalb der Parzelle im dichten Ackerbohnengestrüpp liegen - und schmunzelt. Er kennt halt die überraschten Blicke, wenn er das Brett wendet: Wow! Dutzende Weinbergschnecken drängen sich hier dicht an dicht und knabbern am Kraftfutter, das ihnen der Züchter zuvor drauf gestreut hat. Frühstück gilt bei Familie Helix Pomatia offenbar als ein kollektives Ereignis.

Von Ferne ahnt der Besucher kaum das Gewimmel, das sich hier am Rande des Dörfchens Hermerode bei Sangerhausen unter dichter Vegetation abspielt. Insgesamt 44 Parzellen, jede 5 mal 45 Meter groß, hat der Schneckenzüchter eingefriedet und teils auch mit Gelbsenf, Kürbis, Mangold, Rettich, Sonnenblumen oder Zichorie bestockt. In dem Maße, wie die Nachfrage steige, könne er seine Anlage auch noch problemlos erweitern - von derzeit zwei auf vier Hektar, erzählt er. Dabei betreibt der Mansfelder bereits jetzt die größte unter den rund 30 Schneckenfarmen in Deutschland. Momentan hält er um die drei Millionen Schnecken.

Obwohl weltweit jährlich über 400 000 Tonnen Schnecken zum Verzehr verarbeitet werden, war Schneckenzucht in Deutschland lange kein Thema. Erst 2003 entstanden auch hier erste kleine Farmen, zumeist in Baden-Württemberg und Bayern. Wie auch in Frankreich werden sie teils gewerblich bewirtschaftet, zumeist von Vereinen.

Der gelernte Dachdecker Strache, der später auf Raumausstatter umsattelte und hier nach der Meisterschule ein eigenes Geschäft eröffnete, glaubt nun seine endgültige Profession gefunden. Dabei stieß er lediglich durch eine Fernsehreportage auf das exotische Metier. Er animierte seine Frau, begeisterte Familie, ein paar Nachbarn und Freunde - und gemeinsam gründete man ebenfalls einen Verein.

Dessen ehrgeiziger Name »Institut zur Verbesserung und Neueinführung von Produkten und Produktionsverfahren e.V.« (IVNPP) sagt schon einiges über Straches Ambitionen: Er will die Weinbergschnecke nachhaltig auf mitteldeutsche Speisekarten bringen. Immerhin seien Schnecken eines der ältesten menschlichen Nahrungsmittel.

In Brüssel sah man das jedenfalls positiv. So schoss die EU aus ihrem Leader-Programm zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft 40 Prozent der 70 000 Euro zu, welche die Erstinvestition kostete. Weitere fünf Prozent steuerte der Landkreis Mansfeld-Südharz bei.

Zuvor hatte sich Strache in Fachliteratur vertieft. Er absolvierte Lehrgänge, studierte bestehende Schneckenfarmen im In- und Ausland, nahm Kontakt zum kleinen aber feinen Verband für artgerechte Schneckenzucht Deutschland e.V. im schwäbischen Sinsheim auf. »Letztlich entschieden wir uns für die Freilandhaltung, weil sie naturnah und zugleich wirtschaftlich betrieben werden kann«, erzählt er. Man sichere dem Verbraucher damit eine gleichbleibend hohe Qualität und helfe überdies, die in der Natur verbliebenen Restbestände heimischer Weinbergschnecken zu schützen. Denn das einst übliche Absammeln ist längst verboten.

Heute vermarktet Strache bis zu einer Tonne im Jahr. Das klingt lukrativ, ist es aber nur bedingt. Rund zwei Drittel derer, die es versuchten, hätten wieder aufgegeben, sagt Klaus Krebs, der Vorsitzende jenes Sinsheimer Verbandes. Denn den Aufwendungen von 2,50 Euro je Kilo Schnecken stünden derzeit Aufkaufpreise von rund 1,80 Euro gegenüber.

Am 22. September lädt Strache zum Tag der offenen Tür auf seine Schneckenfarm nach Hermerode - natürlich mit Verkostung (Informationen unter: www.harzer-weinbergschnecken.de).

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