Karlsruhe genehmigt Rettungsschirm ESM mit Vorbehalten

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Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer grundsätzlichen Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt den Kurs der Bundesregierung in wesentlichen Punkten bestätigt.

Die vereinbarte Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro dürfe aber nur mit Zustimmung des Bundestags erweitert werden, machte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Mittwoch in Karlsruhe deutlich. Das Gericht stärkte damit erneut die Rechte des Parlaments. Es dürfe keine Verträge geben, die den deutschen Beitrag zum ESM automatisch anheben können.

Mit der Entscheidung kann Deutschland dem permanenten Euro-Rettungsschirm ESM unter Erklärung völkerrechtlicher Vorbehalte beitreten. Die Bundesrepublik hat bislang als einziges Euro-Land den Vertrag über den «Europäischen Stabilitätsmechanismus» ESM noch nicht ratifiziert. Auch der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durchgesetzte Fiskalpakt mit einer Schuldenbremse kann nun von Deutschland ratifiziert werden.

Der Eilantrag des CSU-Politikers Peter Gauweiler, den Rettungsschirm so lange zu stoppen, bis die Europäische Zentralbank ihren Beschluss über den Ankauf von Staatsanleihen rückgängig gemacht habe, lehnte das Gericht ab.

Die Auswirkungen des geplanten unbeschränkten Ankaufs von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank EZB werde das Gericht erst im Hauptsacheverfahren prüfen. Dann werde festgestellt, ob dieses Verfahren den Rahmen der deutschen Zustimmungsgesetze sprenge. «Ein Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank, der auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zielte, ist als Umgehung des Verbots monetärer Haushalsfinanzierung (...) untersagt», heißt es in dem Urteil.

«Die Prüfung hat ergeben, dass die angegriffenen Gesetze die Verfassung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verletzen», sagte Voßkuhle. «Daher waren die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.» Andererseits gebe es einige «Unsicherheiten» bei der Auslegung des ESM-Vertrags. Deshalb seien Vorbehalte erforderlich, um die Haftungsbegrenzung sowie eine ausreichende Beteiligung von Bundestag und Bundesrat zu sichern.

Deutschland dürfe sich finanzpolitisch stärker an Europa binden, heißt es im Urteil. Dadurch werde das Budgetrecht des Bundestages «nicht ohne weiteres in rügefähiger Weise verletzt». «Für die Einhaltung der Grundsätze der Demokratie kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass der Deutsche Bundestag der Ort bleibt, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird.»

Über die «Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit» des von Bundestag und Bundesrat mit großer Mehrheit verabschiedeten Rettungspakets habe das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden, sagte Voßkuhle. Dazu seien in erster Linie diejenigen berufen, «die direkt vom Volk gewählt sind».

Mehrere Gruppen von Klägern hatten in Karlsruhe Eilanträge gegen den permanenten Euro-Rettungsschirm und den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin eingelegt. Zu den Beschwerdeführern zählen Gauweiler, die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und die Fraktion der Linken im Bundestag. Außerdem haben sich rund 37 000 Bürger einer Beschwerde des Vereins «Mehr Demokratie» angeschlossen. Die Kritiker beanstandeten eine mangelnde demokratische Legitimation der Rettungsmaßnahmen.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM soll den im Mai 2010 gespannten ersten «Rettungsschirm» EFSF ablösen und langfristig zur Stabilisierung des Euro-Raums beitragen. Der ESM soll Krisenländer mit Notkrediten von bis zu 500 Milliarden Euro unterstützen. Zum ESM-Kapital von 700 Milliarden Euro steuert Deutschland 21,7 Milliarden Bareinlagen und 168,3 Milliarden Garantien bei. Im Extremfall kann der Bundeshaushalt also mit 190 Milliarden Euro belastet werden.

In ersten Reaktionen wurde die Entscheidung des Gerichts überwiegend begrüßt. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: «Ich bin froh darüber, dass die parlamentarischen Entscheidungen (...) verfassungsrechtlich gebilligt worden sind.» Insbesondere begrüßte Steinmeier die Stärkung der Rechte des Bundestags. Das Gericht habe gesagt: «Wir billigen das Ganze unter dem Vorbehalt, dass die Parlamentsrechte gestärkt werden.»

Enttäuscht zeigte sich dagegen der Rechtsexperte der Linken-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Ne?kovic. Die Richter folgten «im Kern einer Politik, die nicht versucht, die Finanzmärkte demokratiekonform zu gestalten.

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