Die Frau des »Volksfeindes«

Vor 70 Jahren wurde Maria Osten von Stalins Bütteln ermordet

  • Werner Abel
  • Lesedauer: 3 Min.

»Der erste Dünger für die Ernte ist der billige Schweiß derer, die niemals ernten. Die Erde ist nicht für die fruchtbar, die sie mühsam bearbeiten. Die Körner, die aus dem Dreschkasten in Säcke rinnen, sind neuer geheimnisvoller Samen und bares Geld. Beides geht durch die riesigen rissigen Hände der Arbeiter. Sie werfen das Getreide in den Dreschkasten, hängen die Säcke ab, wiegen sie und stapeln die taubgewordenen Halme, das Stroh. Über das weitere Schicksal des Getreides wird auf der Börse entschieden - nicht so, wie es die Menschen brauchten, sondern, wie es die Herrschenden brauchen, die verdienen wollen.« Diese Sätze sind der legendären, 1932 im Malik-Verlag erschienenen Anthologie »30 Erzähler des neuen Deutschland« entnommen und stammen von der 24-jährigen Maria Greßhöner, die seit 1926 im Verlag arbeitete und mit dem Verleger Wieland Herzfelde zusammenlebte. Schon 1927 war bei Kiepenheuer ihre erste Erzählung gedruckt worden. John Heartfield war von den Katzenaugen der jungen Frau derart fasziniert, dass er ihr Gesicht auf dem Schutzumschlag für Ilja Ehrenburgs »Die Liebe der Jeanne Ney« verewigte.

Am 20. März 1908 in Westfalen geboren, verbrachte Maria ihre Kindheit in Westpreußen, wo ihr Vater ein Gut gekauft hatte. Nach dem Abbruch des Lyzeums nahm sie Zeichenunterricht bei Ludwig Meidner und Willy Jäckel. Hier bekam sie auch erste Kontakte zur Künstlerszene. 1927 trat sie der KPD bei, arbeitete offensichtlich auch in deren Geheimapparat und wählte 1934 aus Sympathie für die Sowjetunion das Pseudonym »Maria Osten«. Nach kurzer Ehe mit dem Regisseur Jewgeni Tscherwiakow lebte sie ab 1932 mit dem bekannten sowjetischen Journalisten und »Prawda«-Redakteur Michail Kolzow zusammen. Im gleichen Jahr wurde sie Redakteurin der »Deutschen Zentral-Zeitung« (DZZ) in der UdSSR.

Nach Hitlers Machtantritt arbeitete sie in der Emigration und engagierte sich nach 1935 in der Internationalen Schriftstellervereinigung zur Verteidigung der Kultur. Sie war befreundet mit Ilja Ehrenburg, Louis Aragon, mit der Familie Brecht, mit J. R. Becher, Egon Erwin Kisch und besonders mit Ernst Busch. Lion Feuchtwanger begleitete sie bei seiner berühmten Reise Ende 1936/ Anfang 1937 in die UdSSR. Ernest Hemingway setzte ihr in seinem Weltbestseller »Wem die Stunde schlägt« als Maria, der Freundin des Kämpfers Karkow (Kolzow), ein literarisches Denkmal. 1934 hatten Maria und Kolzow nach einer Reportagenreise durch Frankreich und das Saarland Hubert L'Hoste, Sohn eines kommunistischen saarländischen Bergarbeiters, adoptiert. Es entstand das Buch »Hubert im Wunderland«, eine Montage, die die unterschiedlichen Lebenswelten des Sozialismus und Kapitalismus aufzeigte. Während des Spanischen Krieges bereiste Maria im Auftrag der DZZ das Land. Ihre »Spanien-Reportagen« erschienen auch in russischer Sprache. Sie half Ernst Busch bei den Aufnahmen der »Canciones de las Brigadas Internacionales«. Und sie gründete in Spanien ein Kinderheim und adoptierte auch hier einen Jungen, der bei einem Bombardement der Faschisten seine Eltern verloren hatte. 1938 übernahm Maria die Pariser Redaktion der neuen Exilzeitschrift »Das Wort« unter der Leitung von Willi Bredel.

Als Kolzow, offensichtlich auf Grund einer Denunziation des französischen KP-Funktionärs André Marty, am 14. Dezember 1938 in Moskau verhaftet worden war, reiste Maria trotz Warnung von Freunden zu ihm. Ihr Adoptivsohn Hubert weigerte sich, die »Frau eines Volksfeindes« in die Wohnung zu lassen. In einem billigen Hotel lebend, pflegte sie die todkranke Margarete Steffin, die Brecht auf der Durchreise in die USA in Moskau lassen musste. Die Kaderkommission der KPD schloss Maria Osten 1939 u. a. wegen ihrer »Verbindungen zur Malik-Clique« aus der Partei aus. Am 24. Juni 1941 wurde sie vom NKWD verhaftet und am 16. September 1942 im Gefängnis von Saratov erschossen - 34 Jahre jung.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal
Mehr aus: