nd-aktuell.de / 17.09.2012 / Brandenburg / Seite 12

Mit dem Strom

Die Austellung »A Burnt-Out Case?« in der NGBK

Tom Mustroph
Ist Burnout ein individuelles Leiden oder schon der Streik der Subjekte gegen die Ökonomisierung unserer postmodernen Leben? Ganz so weit wie das Pamphlet des »Kommenden Aufstands«, das die Krankheit als einen Schritt in eine Abspaltung aus dem politischen Mainstream, also eine Radikalisierung beschreibt, geht die Austellung »A Burnt-Out Case?« in der NGBK nicht. Das ist schade. Aber immerhin leuchten die Arbeiten der 13 Künstlerinnen und Künstler, die nach einer Ausschreibung ausgewählt wurden, Burnout als gesellschaftliches Phänomen aus und belassen es nicht nur auf der individuellen Leidensebene.

Einen interessanten historischen Rückgriff leisten bereits die Ausstellungsarchitekten Peter Behrbohm und Markus Bühler. Nach einem Foto aus den Fordwerken der 40er Jahre, auf dem Angestellte liegend und lungernd auf einer Hybride von Riesensofa und Schreibtischlandschaft zu sehen sind, gestalten sie nun eine Sofalandschaft, in deren Tälern Literatur zu »Burn Out« deponiert ist und zum Schmökern einlädt. Der historische Sprung macht bewusst, dass offensichtlich schon in dieser Hochzeit des alten Kapitalismus, der durch klare Ausbeutung des Körpers, aber eben auch die zeitliche Begrenzung dieser Ausbeutung durch die Aufenthaltsdauer in der Fabrik gekennzeichnet war, erste Versuche unternommen wurden, an die kreativen Potenziale der Arbeitnehmer durch Schaffung vergleichsweise bequemer Arbeitsumgebungen heranzukommen. Das ist in heutigen Unternehmen, die Kickerautomaten und Tischtennisplatten auf die Flure stellen, Heimarbeit und flexible Arbeitszeit erlauben, gleichzeitig aber von permanenter Verfüg- und Erreichbarkeit ausgehen, zu einer düsteren Blüte gelangt.

Wer Arbeit hat – und welche Arbeit besitzt nicht entfremdende Elemente? – ist dauerhaft an sie angeschlossen. Er wird von ihren Rhythmen durchströmt und selbst in eine bestimmte Fließrichtung gebracht. Eine Stellung dagegen dagegen führt meist zum Abschleifen der Ecken. Es löst manchmal ungewöhnliche Strudel aus – Performances des so sporadischen wie spektakulären Widerstands –, kann aber letztlich den Strom nicht aufhalten und führt zu einem Versinken in die Sedimentschichten unterhalb der Sichtbarkeitsschwelle. Eine interessante Darstellungsweise des selbstzerstörenden Potenzials fand die japanische Künstlerin Kaoru Hirano. Sie löst in täglichen Performances Fäden aus einer schwarzen Jacke, die oben im Raum befestigt ist, heraus und lässt sie, großen schwarzen Spinnweben gleich, auf die Erde herabsinken. Von Tag zu Tag löst sich das Kleidungsstück immer mehr in seine Bestandteile auf. Es wird entwebt.

Eine Brücke zwischen der historischen Zivilisationsflucht von Naturschwärmern und dem erzwungenen Rückzug in eine innerliche Starre stellt Gesa Glück her. Nach den Beschreibungen des amerikanischen Philosophen David Henry Thoreau, der sich im 19. Jahrhundert für einige Zeit in den Wald begab, fabrizierte sie einen rohen hölzernen Rückzugskasten, in dessen Inneres man tatsächlich klettern darf. Eine Anerkennung von Burnout als Produkt unserer Gesellschaft schlagen Cathleen Schuster und Marcel Dickhage vor. Im Rückgriff auf die aktuelle Kommerzlogik begreifen sie das Phänomen freilich als eine zukünftige Ressource und schlagen in kritischer Vorwegnahme der nahen Zukunft Produkte zum besser Leben mit Depression vor.

Zwei unfreiwillig komische Elemente weist diese Ausstellung freilich auch auf. Julia Lazarus Videos von Lachyoga-Workshops als Burnout-Prophylaxe entpuppen sich als bizarre Oberflächenkosmetik. Und in Thomas Maders Experimentieranordnung über Stress bei Pflanzen war zum Zeitpunkt des Ausstellungsbesuches ausgerechnet die Pflanze mit den meisten störenden Umwelteinflüssen am besten gewachsen.

Die Gruppenausstellung schöpft gewiss nicht das Potenzial des Themas Burnout aus. Sie bringt es aber auf die Agenda und vertieft es zudem in verschiedenen Veranstaltungen. Einem Symposium folgten eine Lecture-Performance von Ulf Aminde – u.a. mit Aufforderung eines Streiks im Burnout-Revier des Kunstbetriebs. Künstlerworkshops gibt es am 23. und 30. September.

Bis 14.10., NGBK, Oranienstr. 25, tägl. 12-19, Do.-Sa. bis 20 Uhr