Eisensteiner Farbspiele

Der Grüne Thomas Müller ist Bürgermeister im eigentlich tiefschwarzen Bayerischen Wald

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Thomas Müller, Gemeindechef in Bayerisch Eisenstein, ist eigentlich ein klassisches CSU-Gewächs. Er war lange Ortsvereinsvorsitzender der Christsozialen, für die er 2002 auch Bürgermeister wurde. Doch dann kandidierte er für die Grünen.

Vor allem zwei Begriffe kommen einem spontan in den Sinn, blickt man auf das bunte Sortiment der kleinen Souvenirtheke im Haus zur Wildnis Ludwigsthal im Zwieseler Winkel: wertbeständig und naturverbunden. Holzbuntstifte, Malhefte aus Recyclingpapier, hölzerne Bauklötze, Bauanleitungen für Windräder, biobaumwollene Shirts, Mineralien aus dem umgebenden Bayrischen Wald, Gel aus Arnikablüten, Taschenlampen mit Handantrieb.

Und beide Attribute stehen wohl auch für den freundlichen Verkäufer. Der gemütlich wirkende Mann mag das Bleibende, das Bodenständige, ohne sich damit aber dem Neuen zu verschließen. »Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen«, sagt er gern einmal.

Müller geht in dem Nationalparkhaus nur einem Zweitjob nach. Denn von seinem ersten allein könne er nicht leben, erzählt er. So verdient er an zwei, drei Tagen die Woche seine Brötchen als Chef der Naturschutz Service GmbH des BUND und steht als solcher auch selbst an der Kasse.

Die andere Arbeitszeit - und im Grunde noch einiges mehr - verbringt der 40-jährige in einem kleinen Amtszimmer im Rathaus von Bayerisch Eisenstein. Immerhin honoriert ihm der bayrische Freistaat dieses - formal ehrenamtliche - Tun mit einem Ehrensold: Denn Müller ist Bürgermeister in dem 1072-Seelen-Flecken im tiefschwarzen Niederbayern.

Die Wände des Büros weisen ihn indes erkennbar als Grünen aus - er hat sie mit Anti-Atomkraft-Aufklebern geradezu tapeziert. Natürlich sei auch er einst »stramm CSU gewesen«, erzählt er. Die Partei hatte den studierten Versicherungsexperten 2002 nominiert, populär wurde er etwa dadurch, dass er auf dem Großen Arber ein Trauungszimmer einrichtete, das die Brautpaare in einer Kuschelgondel ansteuern können. Oder er lud besser Betuchte zu einem Festessen, das er als Hobbykoch selbst bereitet hatte. Die Einnahmen gingen in die Rathausschatulle.

Doch Ende 2010 verkündet Müller plötzlich, »ein Kapitel beenden« zu wollen. Drei Monate hätte er mit sich gerungen, nun lasse er »nach langen, langen Jahren von der CSU los«. Zu dieser Stunde war er gar noch deren Ortsvereinschef. Den Anlass hierfür hatten ihm die Grünen im Landkreis Regen geliefert: Sie baten ihn, für sie zur Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters im nahen Zwiesel zu kandidieren.

Offenbar liefen sie damit offene Türen ein. »Im Grunde meines Herzens war ich immer grün«, gesteht Müller. Früher sei er halt ein »grüner Schwarzer gewesen - nun also ein schwarzer Grüner«, kontert er jene, die ihn als Wendehals attackieren.

Intern galt sein Verhältnis zur Partei schon seit Jahren als gespannt. Offenbar vergebens versuchte er, »grüne Ideen in die CSU einzubringen«. Der innere Bruch erfolgte dann, als die Parteioberen zunächst noch die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke mitbeschlossen. Denn er setzte da in Bayerisch Eisenstein längst auf ein Biomasse-Heizkraftwerk, drückte zudem eine Resolution gegen Straßenneubauten im Naturschutzgebiet durch. »Man kann konservativ sein und dennoch grüne Politik machen«, sagt Müller. Das sehen offenbar auch nicht wenige in Bayerisch Eisenstein so. Wo man hinhört im »schwarzen« Dorf, keiner spricht schlecht von ihm. Dabei erlebt das plötzlich grün regierte Bayerisch Eisenstein nun eine kuriose Situation: Nachdem sich die SPD-Ortsgruppe auflöste, ist die CSU die einzige Partei im Gemeinderat - neben zwei auch eher konservativen Bürgerlisten. Aber alle beteuern, mit Müller laufe es auch weiter gut.

So hat er wohl auch gute Chancen, ein drittes Mal gewählt zu werden. Es sei denn, er versucht es erneut in Zwiesel, wo er 2011 gescheitert war. Mit 21,8 Prozent kam er auf Platz 4 unter fünf Bewerbern, darunter Boris Stetzuhn (LINKE). Doch die Abstände waren denkbar knapp und Thomas Müller war damals in Zwiesel noch ein weitgehend Unbekannter.

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