Schwules Freiwild in Uganda

Call Me Kuchu von Malika Zouhali-Worrall, Katherine Fairfax Wright

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kuchus von Kampala, das sind, im volkstümlichen Sprachgebrauch, die Schwulen und Lesben von Uganda. Die Menschen mithin, die in Uganda jeder ungestraft anfeinden, anspucken und zusammenschlagen darf. Und »Call Me Kuchu« (Nenn' mich einfach Kuchu) ist der seltene Fall eines aufklärerischen Thesenfilms, der auch filmisch und ästhetisch mehr ist als das recht und schlecht zusammengeschusterte Hinausschreien einer himmelschreienden Menschenrechtsverletzung.

Als die Filmemacherinnen Malika Zouhali-Worrall und Katherine Fairfax Wright 2010 schon mitten im Dreh waren, fand sich die kleine schwule Notgemeinschaft des Landes im Versuch der organisierten Gegenwehr gegen einen Gesetzesentwurf zusammen, der die vorher schon unter Strafe gestellte, ausgelebte Homosexualität insbesondere im Falle einer Ansteckung mit dem HI-Virus mit der Todesstrafe belegt hätte. (Ausgelebt, fürwahr.) Dann wurde im Januar 2011 der Mann ermordet, um den sich diese Versuche einer organisierten Gegenwehr in dem schwer repressiven Land kristallisiert hatten. David Kato, sanft, humorvoll, entschlossen, war der erste offen homosexuelle Aktivist in Uganda, und was die Trauergemeinde bei seiner Beerdigung erlebte (und die Filmemacherinnen filmten) gehörte zu den erschreckendsten Tönen und Bildern der letzten Berlinale. Auch den Juroren des schwullesbischen Teddy-Bären muss diese Szene nachhaltig in den Knochen gesessen haben - sie verliehen dem Film den Dokumentarfilm-Teddy.

Es sind US-amerikanische evangelikale Christen, die die ohnehin schon recht bigotte öffentliche Meinung in Uganda seit 2009 noch weiter gegen die schwullesbische Gemeinde aufstacheln. Bei einer ihrer Freiluft-Hasspredigten waren die Filmemacherinnen zugegen. Sie dokumentieren eine Medienkampagne, die zu Hetzjagden aufruft, als auf der Frontseite eines ehrgeizigen Boulevard-Blattes in großen Lettern verkündet wird, man könne die Fotos, Namen und Adressen weiterer (mutmaßlicher) Schwuler auf den Innenseiten finden. Sie sprechen mit dem Herausgeber der Zeitung, der stolz ist auf seine investigativen Methoden und auf jeden Schwulen, den er öffentlich outen konnte. Und sie interviewen dem Parlamentsabgeordneten, der den umstrittenen Gesetzesentwurf einbrachte, der unter anderem Gefängnisstrafen für jeden vorsah, der einen Schwulen nicht bei den Behörden denunzierte - die eigenen Kinder eingeschlossen.

Aber sie dokumentieren auch das Aufbegehren der Betroffenen, die nicht mehr schweigend erleiden wollen, was eine unaufgeklärte Mehrheit ihnen an Demütigungen und Gefahren aufzwingt. Oder mit den Worten von David Kato: »Wenn wir uns weiterhin verstecken, werden sie behaupten, wir seien gar nicht da.« Für Kato war ein Aufenthalt im schon etwas liberaleren Südafrika der Durchbruch zu einem neuen Selbstverständnis - dort fand sich sogar eine christliche Gemeinde, in der auch er beten und trotzdem Händchen halten konnte, mit wem er wollte. In der ugandischen öffentlichen Meinung dagegen sind alle Schwulen pädophile Verführer oder schlimmer, und alle Lesben tun es nur für Geld. Wenn ein Sündenbock für politische Attentate gebraucht wird, schiebt man sie erst mal ihnen in die Schuhe (selbst wenn es sich um ein Attentat auf die Zuschauer einer Fußballübertragung handelt, nicht gerade ein typischer Sport der schwulen Gemeinde), weil alternative Sexualität und islamistischer Terror ja ganz klar in dieselbe Schublade gehören.

US-Präsident Barack Obama schickte eine Botschaft an die Trauergemeinde, die sich um David Katos Grab versammelt hatte. Den anwesenden Pastor und die versammelte Dorfgemeinschaft bestärkte das nur in der Ansicht, dass Homosexualität eben ein typisch westliches Übel sei, gegen das man »afrikanische« Werte wie Nation und Christentum verteidigen müsse. Wäre nicht auch der (amtsenthobene) anglikanische Bischof Christopher Senyonjo zugegen gewesen, der sich das Neue Testament zu Herzen nimmt und Toleranz predigt, David Kato wäre noch bis ins Grab von Verwünschungen verfolgt worden. Die Gesetzesvorlage aber wurde erst mal zurückgezogen - der internationale Protest war zu groß und der Präsident Ugandas plötzlich bei jedem Staatsbesuch mit der Frage nach den Schwulenrechten in seinem Land konfrontiert. Ein Protest, der nicht nachlassen darf: Anfang dieses Jahres wurde die Debatte um das Anti-Schwulen-Gesetz im ugandischen Parlament wieder aufgenommen.

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