Wilde Streiks erschüttern Gewerkschaftsgefüge

Südafrika: Dachverband COSATU kämpft gegen Mitgliederverlust und schwindenden Einfluss

  • Odile Jolys, Johannesburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter den Eindrücken des Streiks in einer Platinmine ging am Donnerstag der Kongress des südafrikanischen Gewerkschaftsverbandes COSATU zu Ende. Dieser steht unter Druck.

Der Streik der Bergarbeiter in der südafrikanischen Platinmine Marikana ist zu Ende. Am Donnerstag kehrten die Bergarbeiter nach einem harten sechswöchigen Arbeitskampf zur Arbeit zurück. Dem Angebot von 22 Prozent mehr Gehalt stimmten die Kumpels zu. 45 Menschen verloren bei den Protesten ihr Leben. So starben 34 Bergarbeiter allein am 16. August im Kugelhagel der Polizei.

Fast zeitgleich mit der Einigung endete der viertägige Kongress des größten südafrikanischen Gewerkschaftsdachverbandes COSATU. Der Streik in Marikana hatte schwer auf dem Treffen gelastet. Die Bergarbeiter hatten der größten Einzelgewerkschaft von COSATU, der NUM, eine klare Absage erteilt, nachdem Verhandlungen über Lohnerhöhungen gescheitert waren. Sie schlossen sich der kleinen Gewerkschaft AMCU an und begannen ihren illegalen Streik, der in bis dahin nicht gekannten Gewaltausbrüchen mündete.

COSATU ist unter Druck. Der mit dem regierenden ANC eng verbundene Dachverband sieht sich von neuen kleinen Gewerkschaften herausgefordert. Nach eigenen Angaben soll COSATU in einem Jahr 20 000 seiner 2,2 Millionen Mitglieder verloren haben.

Schwerer wiegt aber, was mit der Tragödie von Marikana ans Licht kam, nämlich dass sich fast zwei Jahrzehnte nach Ende der Apartheid die Arbeits- und Lebensbedingungen der Bergarbeiter kaum geändert haben: Niedrige Löhne, Blechhütten als Quartiere und Wanderarbeiter, die oft nur einmal im Jahr nach Hause fahren können, sind Alltag im Bergbau.

Laut wird heute in Südafrika gefragt, ob COSATU die Arbeitnehmerinteressen noch hinreichend vertritt. In dieser angespannten Stimmung demonstrierte COSATU Geschlossenheit: Präsident S’dumo Dlamini, Generalsekretär Zwelinzima Vavi und die Leitung wurden ohne Gegenkandidaten für drei Jahre wiedergewählt. Damit bleibt es beim Status quo zwischen Dlamini, der Staatspräsident Jacob Zuma unterstützt, und Vavi, der COSATU stärker in der Zivilgesellschaft verankern will und keine Scheu zeigt, die Politik zu kritisieren.

Wenn auch Personalquerelen auf dem Kongress abgewendet werden konnten, bleibt der Richtungsstreit doch bestehen. In der emotionalen Diskussion zum politischen Bericht von Vavi war dies deutlich zu spüren. Vielen Zuma-Anhängern ging die Kritik an der Regierung zu weit. Vavi wetterte gegen Korruption und ermahnte die Gewerkschaftsvertreter, sich wieder mehr um die Basis und die Armen zu kümmern. Selbstkritisch fügte er hinzu, dass sich viele Gewerkschaftsvertreter zu sehr von der Lebensrealität der Arbeiter entfernt hätten.

Einig waren sich die Delegierten darin, dass der Streik der Bergleute einen gefährlichen Präzedenzfall darstellt, denn weitere wilde Streiks laufen: Vavi musste mit NUM-Vertretern kurz den Kongress verlassen, um die Eskalation in einer Mine abzuwenden.

Vavi bezeichnete die in Marikana erzielte Vereinbarung, die jenseits gewohnter Schlichtungsmechanismen stattfand, als »gefährlich«. »Die Zukunft der formellen Verhandlungsstrukturen ist in Gefahr«, befürchtet auch der Präsident der NUM, Senzeni Zokwana. Das Auftreten neuer Gewerkschaften könnte Südafrika in einen demagogischen Wettlauf stürzen.

COSATU muss heute mehr denn je um seine Glaubwürdigkeit und Legitimität kämpfen. Doch ob man mit der wiedergewählten Spitze noch auf der Höhe der Zeit ist, ist ungewiss.

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