Nur ein Tropfen auf den heißen Stein

Französische Regierung will per Gesetz sozialen Wohnungsbau ankurbeln

  • Andrea Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
In Frankreich fehlen hunderttausende Wohnungen und die bestehenden werden immer teurer. Dem will die Regierung nun etwas entgegensetzen.

Wohnen wird in Frankreich zum Luxus. Viele Familien geben fast die Hälfte ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten aus. Die Mieten im Altbau sind zwischen 2000 und 2010 durchschnittlich um 110 Prozent gestiegen; neu gebaute Häuser haben sich in diesem Zeitraum um 86 Prozent verteuert, neue Wohnungen um 94 Prozent. In Paris sind die Neuvertragsmieten in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen.

Nach Untersuchungen der Hilfsorganisation Abbé Pierre leben in Frankreich 3,7 Millionen Menschen in unzureichenden Wohnverhältnissen. Aufgrund mangelhafter Politik fehlen über eine Million Wohnungen. Um die Nachfrage zu decken, müssten jedes Jahr mindestens 500 000 neue Wohnungen gebaut werden - ein Niveau, das in den vergangenen Jahren nie erreicht wurde. Vor allem Sozialwohnungen fehlen: 1,2 Millionen Personen stehen auf Wartelisten für Wohnungen, die erst noch gebaut werden müssen.

Wohnungsbauministerin Cécile Duflot hatte kürzlich bei Neumietverträgen eine Deckelung in Höhe der Inflationsrate durchsetzen können. Zudem hatte Präsident François Hollande im Wahlkampf die Schaffung von jährlich 500 000 Neubauten versprochen, davon 150 000 Sozialwohnungen. Duflot stellte dazu nun ein Gesetzesprojekt. Es sieht vor, dass bis 2016 etwa 900 staatseigene Grundstücke mit einer Fläche von zusammen 2000 Hektar für Neubauten zur Verfügung gestellt werden, davon die Hälfte in Paris. Die Grundstücke gehören staatlichen Einrichtungen sowie der Staatsbahn SNCF und den Pariser Verkehrsbetrieben RATP. Duflot will zudem durchsetzen, dass der Staat Grundstücke billig oder sogar kostenlos an die Gemeinden abtreten kann, wenn diese sich verpflichten, dort Sozialwohnungen zu bauen.

Zum anderen soll das Gesetz »Solidarität und Stadterneuerung« verschärft werden. Es ist seit 2000 in Kraft und verpflichtet größere Kommunen dazu, bei den Baugenehmigungen darauf zu achten, dass mindestens 20 Prozent des Wohnungsbestands für Sozialwohnungen reserviert sind. Derzeit kommt ein Drittel der Städte dieser Pflicht nicht nach; vor allem die »gutbürgerlichen« nehmen lieber Strafzahlungen in Kauf. Die Linksregierung will den Pflichtanteil in bevölkerungsstarken Kommunen nun auf 25 Prozent erhöhen und die Strafzahlungen verfünffachen. Jedoch sind letztere nach wie vor nicht automatisch, wie es Mieterverbände seit langem fordern. Ob eine Stadt zahlen muss, hängt vom zuständigen Präfekten ab. Ist dieser mit dem Bürgermeister befreundet, wird eine Strafe eher unwahrscheinlich.

So sind die Maßnahmen zwar durchaus sinnvoll, ihre Tragweite dürfte jedoch begrenzt bleiben. Von der Abgabe staatlicher Grundstücke erhofft sich Duflot 110 000 zusätzliche Wohnungen bis 2016 - weit weniger als die angestrebten 500 000 jährlich. Auch ist unklar, wie die ehrgeizigen Pläne in der Krise finanziert werden sollen. Dem setzt Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem entgegen, die Maßnahmen dürften »dem Staat mehr Geld einbringen, als sie ihn kosten«: Die Mehrwertsteuereinnahmen würden steigen und das Baugewerbe angekurbelt werden. Der Gesetzentwurf soll voraussichtlich noch vor Ende des Jahres in Kraft treten.

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