Herdprämie wankt, Koalition hält

Regierung im Dauerzoff ums Betreuungsgeld / FDP will Gegenleistungen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die FDP lehnte den Unions-Kompromiss fürs Betreuungsgeld ab und sorgt damit für kräftigen Ärger in der schwarz-gelben Koalition.

Das Betreuungsgeld sorgt weiter für Streit bei Schwarz-Gelb. Mit dem Vorhaben sollen Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause erziehen, staatliche Unterstützung bekommen. Grund des neuen Zores ist die Absage des FDP-Präsidiums vom Montag: Der Unionskompromiss führe zu Mehrausgaben, das sei nicht abgesprochen. Auch die zwischen CDU und CSU vereinbarte Pflicht zur Vorsorgeuntersuchung von Kleinkindern liegt den Liberalen quer. »Dem können wir so nicht zustimmen«, sagte Vize-Parteisprecher Nils Droste laut dpa. Bei entsprechenden Gegenleistungen sei man aber zum Einlenken bereit, hieß es aus der FDP. Auf der Wunschliste stehen etwa die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften oder die Soli-Senkung.

Erst Ende voriger Woche hatte sich eine Arbeitsgruppe von CDU und CSU auf einen Kompromiss geeinigt. Denn auch in der Union knirscht es beim Thema »Herdprämie« kräftig. Besonders die CDU-Frauen waren auf die Barrikaden gegangen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zu Wochenbeginn die von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und der FDP geforderten Gutscheine statt Barauszahlung des Betreuungsgeldes abgelehnt und sich damit auf die Seite der CSU geschlagen. Deren Vorsitzender Horst Seehofer hatte Mitte Juni nach einer abgebrochenen ersten Lesung im Bundestag sogar mit Koalitionsbruch gedroht, sollte das Betreuungsgeld scheitern.

Der Unionskompromiss besagt, dass Eltern von Ein- bis Zweijährigen ab nächstem Jahr 100 Euro monatlich für die Kinderbetreuung bekommen sollen, ab 2014 werden es 150 Euro. Wer das Betreuungsgeld nicht in bar haben will, sondern in eine private Altersvorsorge steckt, bekommt dazu 15 Euro Prämie vom Staat. Das Betreuungsgeld soll jedoch nur erhalten, wer seine Kleinsten zur Vorsorge bringt. Das hatte die CDU der CSU abgerungen. Letztere war noch im Mai gegen die Pflicht zum Arztbesuch: Die ist in Teilen Ländersache. Dem Gesetz müsste der Bundesrat zustimmen, und da hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit.

FDP-Chef Philipp Rösler bemühte sich gestern um Schadensbegrenzung. Einen Bruch der Koalition befürchte er nicht. »Es ist normal, dass man unterschiedlicher Auffassung ist«, sagte Rösler der »Passauer Neuen Presse«. Beim Frühstück der Koalitions-Fraktionsspitzen war das Betreuungsgeld kein Thema. Am Dienstagnachmittag wollten die Fraktionen von FDP und CDU/CSU getrennt beraten.

Die Reaktionen der Opposition, die das Betreuungsgeld geschlossen ablehnt, ließen nicht lange auf sich warten. Fraktionschef Jürgen Trittin (Grüne) sagte der dpa, die Koalition sei nicht mehr handlungsfähig. Die Lage schreie danach, »dieses Trauerspiel möglichst zügig zu beenden«. Sein Amtskollege Gregor Gysi (LINKE) erklärte: »Jetzt erleben wir den 77. Akt der unendlichen Geschichte über das sinnloseste Vorhaben der schwarz-gelben Koalition.« SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles empfahl, auf das Betreuungsgeld zu verzichten und die dafür veranschlagten 1,2 Milliarden Euro in den Kita-Ausbau zu stecken.

Zur Erinnerung: Das Betreuungsgeld hatte sich nicht CDU-Familienministerin Kristina Schröder ausgedacht. Ihre Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen war in der Großen Koalition mit dem von ihr forcierten Krippenausbau, der alternative Lebensentwürfe fördern sollte, auf den Widerstand der CSU gestoßen. Die mahnte, zu Hause erziehende Eltern würden benachteiligt. Von der Leyen knickte ein und brachte einen Gesetzentwurf zum ungeliebten Betreuungsgeld auf den Weg - in der Hoffnung, dass dieser Kai in der Kiste bleibt. Doch vergeblich.

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