Kunstakademien sind längst nicht mehr Elfenbeintürme und nur bedingt Schutzzone für das Wachsen junger Talente fernab der Attacken von Markt und Szenebetrieb. Als die »Kunstzeitung« jüngst bundesweit 15 deutsche künstlerische Lehrhäuser zu Angeboten des Lernens und der Effizienz unter die Lupe nahm, bekam die Charlottenburger Hochschule der Künste (HdK) vergleichsweise schlechte Noten.
Die zweite Kunstschmiede der Hauptstadt, die Kunsthochschule in Weißensee, wurde erst gar nicht begutachtet. Zufall? Dabei bewies dieses kleine Institut nach der Wende mehrfach gegenüber der universitären Massenabfertigung HdK seine Identität durch eigenständiges, individuelles Profil und Leistung. Gerade das intensive, partnerschaftliche Verhältnis von Professoren und Studenten ist sein Plus. Die jetzige Ausstellung von sieben Meisterschülern aus Weißensee im Roten Rathaus beweist das erfolgreiche Fortbestehen. Zugleich zeigt sie auch, dass ernsthaft geschultes Handwerk und Experiment sich in den Fächern Bildhauerei, Malerei und Zeichnung sowie Mode-Design nicht ausschließen.
Die Malerei spiegelt fast das gesamte Spektrum ihrer heutigen Erscheinungsbilder wider. Es reicht von traditionellen Motiven und Ausdrucksformen des Still-
lebens und Porträts bei den Peuker-Schülern Sandra Rienäcker und Christian
Thoelke über Sandra Sperhakes und An-
dreas Wendts abstrahierende Farbwelten bis zu elementaren Zeichnungen von Thomas Haker. Mode-Design ist mehr als auf dem Laufsteg inszenierte Kleidung (Susanne Pliet). Den zweifellos spannendsten, reifsten Einblick in künstlerisches Können gibt die Berndt-Wilde-Schülerin Hendrikje Förster mit ihrer Charakterisierung der »Familie Blum«.
In verdichteten Einzeldarstellungen ausgewählter Bleistiftzeichnungen, Radierungen, Schwarzweißfotografien, Gipsbüsten und Drahtskulpturen installiert sie in differenzierten Temperamenten ein komplexes Porträtgeflecht von Frau und Mann. Die knappe, reduzierte Linienführung wächst zu einer vielschattigen inneren Landschaft. Der Eindruck ist hier so intensiv, dass man sogar für einen Moment glauben kann, sich nicht im spröden Rathauskorridor, sondern in einer gut ausgeleuchteten Galerie zu befinden.
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