Entwicklungshilfe in Kambodscha / Eine 1:3-Niederlage kann ein Erfolg sein

In Phnom Penh arbeitet Joachim Fickert mit Erfolg als Nationaltrainer

  • Bernd Kubisch
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Rudi Völler kann sich Joachim Fickert aus Sachsen-Anhalt nicht messen. Der Trainer der Fußball-Auswahl von Kambodscha hat weder das sportliche Renommee noch das Gehalt eines DFB-Teamchefs. Fickert kann sich schon freuen, dass er wenigstens über ein eigenes Schlafzimmer verfügt. Seine knapp 30 Spieler nächtigen während des Trainingscamps in der Hauptstadt Phnom Penh spartanisch in einem einzigen Saal mit Doppelstockbetten. Der 54-jährige Weltenbummler in Sachen Fußball, in Rodleben bei Dessau geboren, kam über Neuwied, Köln, Koblenz, Mauretanien, Benin und Kongo in das Königreich der Khmer. Er sagt: »Diese Unterkunft macht den Jungens nichts aus. Sie sind stolz und glücklich, für ihr Land zu spielen.« Als übersetzt wird, nicken die jungen Männer, die um den Trainer stehen. Ihre Augen leuchten. Kambodscha, viele Jahre von Krieg und blutigen Unruhen geschunden, ist bettelarm. Ein Kellner verdient umgerechnet kaum 100 Mark im Monat. Die Fußballer kommen per Moped, Fahrrad und Bus von zu Hause in ihre Unterkunft im Gebäude der »Cambodian Football Federation«. Fickert reiste vor fünf Jahren als Entwicklungs- und Sporthelfer an, im Auftrag des Auswärtigen Amtes. In die Schule ging er zunächst im sachsen-anhaltischen Stackelitz. Vor dem Mauerbau fuhr die Familie mit der S-Bahn in den Westen Berlins. Weitere wichtige Stationen: Abitur in Neuwied in Rheinland-Pfalz, Studium an der Deutschen Sporthochschule in Köln, Trainer beim damaligen Regionalligisten TuS Neuendorf und beim Fußballverband Rheinland-Pfalz. Fickert spielte beim VfL Neuwied und bei der SG Ellingen. Trainer- und Lehr-Aufträge von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, dem Nationalen Olympischen Komitee und dem Auswärtigen Amt führten den Fußballexperten vor allem nach Afrika. Fickert: »Als junger Mann hatte ich die Qual der Wahl: Mich als Spieler ins Profilager kämpfen oder in die weite Welt als Trainer ziehen. Ich habe meine Entscheidung nie bereut. Die Arbeit hier macht mir riesigen Spaß.« Die Anweisungen brüllt der Deutsche in Englisch und Französisch über den Platz zu den Spielergruppen. Die zwei Assistenten schreien sie in der Khmer-Sprache weiter. Es gibt zwar auch Einheimische, die gut Deutsch können, aber Fickert sagt: »Die müssten aber auch Ahnung vom Fußball haben.« Fußball-Präsident Khek Ravy, auch Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, hofft, dass »wir in Zukunft wieder an unsere erfolgreichen Zeiten vor dem Krieg anknüpfen«. Vor über 40 Jahren zählte Kambodscha zu den acht besten Fußballernationen Asiens. Die Khmer haben Vertrauen zum deutschen Trainer. Als das vom Außenamt unterstützte Fußball-Projekt für Kambodscha im Mai 2000 auslief, legte der Verband Fickert in Phnom Penh einen privaten Vertrag vor. Der unterschrieb und blieb. Der Coach aus Dessau ist über Sport und Fußball in Deutschland bestens via Internet und Deutsche Welle TV informiert. Besonders freut ihn, dass die Ost-Vereine Rostock und Cottbus weiter im Oberhaus mitmischen. »Kambodschas Fußball würde es guttun, wenn die Spieler mehr Eigeninitiative entwickeln und Verantwortung übernehmen würden«, sagt Fickert. Ab September können er und seine Jungs beweisen, ob das harte Training Fortschritte brachte. Dann beginnt nämlich die Südostasien-Meisterschaft. Bei der WM-Qualifikation gab es in den letzten Monaten achtbare Ergebnisse, darunter eine 1:3-Niederlage in China.dpa
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