Wo liegen die übernächsten Ziele, Herr Fischer?

Offene Briefe an den Außenminister zum Jahreswechsel / Deutsches Veto im UN-Sicherheitsrat gefordert

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
In zwei Offenen Briefen haben sich Organisationen aus der Friedensbewegung an Bundesaußenminister Joseph Fischer (Grüne) gewandt und den Grünen-Politiker zu einer konsequenten und anhaltenden Ablehnung einer militärischen Intervention in Irak aufgefordert.
Anlass für die beiden Initiativen bot der Außenminister selbst: Am vergangenen Wochenende war Fischer mit Äußerungen vorgeprescht, eine deutsche Zustimmung zum Irak-Krieg im UN-Sicherheitsrat könne nicht ausgeschlossen werden. Dass der Vorstoß des Grünen-Politikers Möglichkeiten ausloten sollte, das bereits zum Jein gewandelte deutsche »Nein« zum Irak-Krieg vollends in ein Ja zu verwandeln, blieb angesichts der Schützenhilfe etwa durch den Bundeskanzler kaum verborgen. Entsprechend stark sind die Befürchtungen innerhalb der Friedensbewegung. In ihrem Offenen Brief erklären Kathrin Vogler, die Geschäftsführerin des Bundes für Soziale Verteidigung (BSV) und der Vorsitzende der Organisation, Konrad Tempel, die Äußerungen des Außenministers »mit großer Sorge« zur Kenntnis genommen zu haben. »Dass Sie eine Zustimmung zu einem Irakkrieg zumindest nicht mehr ausschließen, halten wir für fatal, weil diese Aussage von der US-Regierung als Zustimmung zu ihrer laufenden Kriegsvorbereitung gedeutet werden wird«, heißt es in dem Schreiben weiter. Damit würden alle Möglichkeiten einer deeskalierenden Rolle Deutschlands in diesem Konflikt verspielt. Der 1989 unter anderem von Petra Kelly, eine der wichtigsten Vorkämpferinnen der ökologischen und Friedensbewegung, sowie Organisationen wie Pax Christi gegründete BSV lehnt einen Irak-Krieg in aller Deutlichkeit ab - »ob mit oder ohne weitere UN-Resolution. Krieg ist kein legitimes Mittel zur Beseitigung unliebsamer Regime.« Noch vor kurzer Zeit habe Fischer selbst bestätigt, dass keine Informationen über eine akute Bedrohung durch Irak vorlägen. Für den BSV steht daher fest, dass »auch punktuelle Schwierigkeiten oder Behinderungen bei der Rüstungskontrollmission keine Rechtfertigung für einen solchen Angriffskrieg bieten«. Dies gelte erst recht nicht nach der Manipulation des irakischen Berichts durch die US-Behörden. Den Bundesaußenminister fordern Vogler und Tempel in dem Schreiben auf, »sich für eine zivile und politische Lösung des Konflikts« einzusetzen. Im Hinblick auf die jüngsten Erklärungen Fischers heißt es: »Unterlassen Sie jede Zustimmung oder Ermutigung für diesen Krieg!« Auch der Sprecher des Bremer Friedensforums, Ekkehard Lentz, zeigte sich in einem zum Jahreswechsel an Fischer gerichteten Offenen Brief darüber besorgt, dass »die Position Deutschlands im UN-Sicherheitsrat gegenüber einem Angriff auf den Irak« völlig offen sei. »Natürlich können sich auch Unbedarfte zusammenreimen, welche geopolitischen Interessen die USA verfolgen«, heißt es in dem Schreiben. Allerdings habe Fischer selbst »bisher öffentlich den Eindruck vermittelt, dass sich die rot-grüne Bundesregierung nicht zum Erfüllungsgehilfen des Vorgehens der US-Regierung in Washington machen lassen möchte.« Lentz verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es auch diese Position war, die zum Wahlsieg von SPD und Grünen beigetragen habe. Für den Sprecher des Bremer Friedensforums liegt es - offenbar im Gegensatz zur Position der Bundesregierung - klar auf der Hand, dass ein Angriff auf Irak völkerrechtlich unerlaubt, politisch verheerend und ethisch unverantwortlich ist. Völkerrechtlich sei die Anwendung von Gewalt durch Staaten nur dann gestattet, wenn sie bewaffneten Angriffshandlungen ausgesetzt sind. Einen »Präventivkrieg«, so Lentz, dürfe also niemand führen: »Der Begriff ist eine Beschönigung eines unerlaubten Angriffskrieges.« Darüber hinaus wird in dem Offenen Brief zu Bedenken gegeben, »dass sich in Präsident Bushs Achse des Bösen mit Nordkorea und Iran zwei Staaten mit bereits existierenden Atomanlagen befinden. Sollen diese als nächste bombardiert werden?« Man wisse auch um den Atomwaffenbesitz von Russland, China, Indien, Pakistan, Taiwan und Israel - »sind dies die übernächsten Ziele?« Dem »zynischen Pragmatismus der US-Politik« ist Lentz zufolge kaum mehr mit ethischen Argumenten beizukommen. »Oder gibt es eine ethisch vertretbare Rechtfertigung für die mindestens 100000 toten Iraker im Golfkrieg? War ihr Tod militärisch notwendig?« Der Offene Brief des Bremer Friedensforums appelliert eindringlich an den Außenminister, »ein vehementes Veto gegen den drohenden Irak-Krieg zu sprechen und als verantwortlicher Politiker Charakter und Größe zu zeigen«.
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