Werbung

Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Politik
  • 150 000 demonstrierten in der Nacht zum Freitag in Berlin

Forderung: Krieg sofort beenden

  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz eisiger Kälte und später Stunde erlebte die deutsche Hauptstadt in der Nacht zum Freitag eine Anti-Kriegsdemonstration mit 150 000 Teilnehmern. Am Breitscheid- und am Alexanderplatz hatten sich bereits in den frühen Abendstunden Zehntausende versammelt, um dem Völkermorden am Golf ihr NEIN entgegenzuschreien. Auf Plakaten war zu lesen: „Schickt Politiker in die Wüste, nicht Soldaten!“.

Auf dem sich anschließenden, kilometerlangen Zug zum Pariser Platz legten viele an der Neuen Wache eine Schweigeminute-ein. Kerzen und Fackeln wurden angezündet.

Gegen „Abwicklungen“ streikende Studentinnen der Humboldt-Universität reihten sich in den Protestmarsch ein. Beim Singen von „We shall overcome“ vereinigten sich die friedlichen Demo-Züge am Brandenburger Tor zur Abschlußkundgebung, zu der auch zahlreiche Potsdamer stießen.

Ob Ernst Engelberg (Historiker), Klaus Wolfram (NEUES FO-RUM),Gregor Gysi (PDS), Christine Weiske (Grüne), Bernd Gehrke (Vereinigte Linke), Kurt Merkel (Ex-DDR-Botschafter im Kuweit) oder andere – immer wieder gleiche bzw ähnliche Forderungen im Verlaufe des Abends: Krieg sofort beenden, Generalstreik, ziviler Ungehorsam, Kriegsdienstverweigerung, tägliche Gedenkminuten um 12 Uhr. Je klarer die Forderungen, um so mehr Zustimmung erhielten die Redner.

Zwischendurch und bis in die Nacht hinein Sprechchöre wie „In-

ternationale Völkermordzentrale – USA“. Aber auch der irakische Diktator wurde scharf angegriffen.

Seinen (vermutlich) letzten gro-ßen Auftritt als Regierender Bürgermeister Berlins probierte offensichtlich Walter Momper (SPD), der sich unter die Sprecher mischte. Trotz Pfeifkonzert und Buh-Ruf en versuchte er seine Rede zu halten, die wohl nicht einmal er selbst hören konnte. Der Unvernunft krawallüsterner Provokateure und dürftigem Polizeischutz war es zuzuschreiben, daß sich Mompers Abgang zum Spießrutenlaufen gestaltete: Steinwürfe, rüde Rempeleien, Faustschläge und Anspucken. Friedliche Demonstranten – und das waren die meisten – verhinderten Ärgeres.

Nach 22.30 Uhr veränderte sich das Bild – zunächst vor der Ex-USA-Botschaft in der Neustädter Kirchstraße. Demonstrative Gesten der bürgerkriegsmäßig ausgerüsteten Polizei auf der einen –

Protesttrommeln und Pfiffe auf der anderen Seite. Leider auch vereinzelte Würfe von Steinen, Blechbüchsen, Molotow-Cocktails und Silvester-Knallern.

Sekunden nach einer Vorwarnung, ohne Rückzugsmöglichkeit für die gewaltlosen Demonstranten, schließlich der Polizeieinsatz mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfern – trotz zweistelliger Minusgrade. Es folgten Räumungen von Straßen und Plätzen durch Hundertschaften und Jagd auf Demonstranten – völlig unvermittelt die Polizeiakte am Brandenburger Tor.

Die Veranstalter hatten sich fortwährend bemüht, Zwischenfälle zu verhindern und distanzierten sich von den Ausschreitungen der randalierenden Provokateure – eine Minderheit.

Unterdessen protestierte die Vereinigte Linke entschieden gegen die Polizeieinsätze und forderte Dialog statt Gewalt.

Dr. TOMAS KITTAN

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal