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  • Sport
  • Die schnelle Rostockerin Marita Koch – Flachs und Wirklichkeit der Rekordläuferin

Eine Hetzjagd zwischen Ladentisch und Büro

  • JÜRGEN HOT.Z
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Zeit ist verdammt schnellebig. Tatsächlich ist es nun schon reichlich vier Jahre her, seit Marita Koch von der Leichtathletikbühne abtrat. Aber im Herbst 1986 bestritt sie beim Grand-Prix-Finale in Rom ihr letztes Rennen, das selbstredend mit einem die Gegnerschaft deklassierenden Sieg endete. Eine Woche zuvor feierte man sie ob ihrer zwei EM-Triumphe über 400 m und mit der 4x400-m-Staffel. „Es war ein Abschied ohne Wehmut, aber dennoch einer der wehtat“, gesteht sie rückblickend.

Eigentlich hatte die damals 29jährige mehrfache Welt- und Europameisterin, die 16 Weltrekorde aufstellte, trotz vorgerückten Alters die Olympischen Spiele 1988 in Seoul im Visier. Aber die damaligen DTSB-Oberen hielten die Rostockerin nach endlosen Streitigkeiten über Trainingskonzeptionen* monatelang hin. „In dieser unsauberen Atmosphäre entschloß ich mich kurzerhand zum Rücktritt.“

Fortan verschwand das jahrelange Leichtathletik-Reizwort Koch aus den Schlagzeilen – mit zwei Ausnahmen: 1987, als sie ihren langjährigen Trainer Wolf gang

Meier heiratete, und 1989 nach der Geburt ihrer Tochter. Beruflich folgten angespannte Jahre für die Studentin der Humanmedizin, die drei Studienjahre und ein einjähriges Physikum hinter sich brachte. „Beendet habe ich die Sache dennoch nicht“, ergänzt sie, was nicht allein an der fehlenden Zeit durch die Mutterschaft gelegen habe. „Die Lage unmittelbar vor und nach der Wende bestärkte mich in der Auffassung, auch mit später erfolgreichem Studiumabschluß ohne wirkliche Perspektive zu sein.“

So erklärt sich schließlich auch der völlig anders geartete berufliche Einstieg im vorigen Jahr in die Kleinunternehmerbranche. Die eigentliche Idee dazu entsprang früheren Flachsereien in Meier-Kochs Freundeskreis - ein ädidas-Vertreter darin einbegriffen -, als man meinte, man könne den Namen Koch am besten auf diese Weise vermarkten. Unerfahren, aber mit einem Kredit in der Tasche, mit exzellenten Beratern zur Seite und notwendigen Räumlichkeiten in der Hinterhand hob sie ein Sportartikelgeschäft aus der Taufe. Seit

Ende Oktober lockt „Maritas Sporteck“, nur einen Steinwurf von Rostocker Bahnhof und Rathaus entfernt, Kundschaft an. Gelegentlich assistiert von ihrem Ehemann, der als einst erfolgreicher Leichtathletiktrainer vom DTSB schon vor dem Jahresende gekündigt worden war. „Gerade heute war er wieder auf dem Arbeitsamt – wieder nichts“, kommt es resignierend über Maritas Lippen. Der Deutsche Leichtathletik-Verb and wollte ihn anstellen, und zwar als Honorartrainer für 1500 DM, abzüglich aber aller Eigen- und Ausfallkosten, die er selbst zu tragen hätte. Da wären nicht mal 1200 DM geblieben...

Die Geschäftsfrau Marita Meier-Koch meistert die neue Situation fast so souverän wie sie sich jahrelang durch die Präzision ihrer Rekordläufe auszeichnete. „Noch läuft das Geschäft ganz > .gu i t“, urteilt sie knapp, jagt zwischen Ladentisch und Buchführung im Büro hin und her. „Manchmal kommen Leute nur aus Neugier herein, um zu erfahren, wie es mir geht. Oder es sind Kinder, die ein Autogramm von mir wollen.“ Kontakt zu ehe-

maligen DDR-Sportassen habe sie noch immer. „Erst neulich besuchten uns die Emmelmanns. Und mit Gerd Wessig oder Roger Pyttel als Vertreter von Sportartikel- oder Sportgeräteherstellern habe ich nicht nur beruflich Verbindung.“

Ein Thema des Sports berühre sie nach wie vor stark, aber gleichermaßen unangenehm. „Die hochgezogene Doping-Debatte mit den vielfach pauschalen Anschuldigungen gegenüber den einstigen DDR-Athleten führt dazu, daß der Sport Schaden nimmt und an Glaubwürdigkeit verliert. Ich war nicht in Doping verwickelt und trete entschieden dafür ein, daß straffe und überschaubare Kontrollen bei den Athleten durchgeführt werden. Im übrigen ist es an der Zeit, sich über den Doping-Begriff unter veränderten medizinischen Bedingungen zu verständigen. Was alles nach den IOC-Regeln unter Dopingmittel fällt, ließe den Schluß zu, daß die halbe deutsche Bevölkerung gedopt ist, weil beispielsweise schon ein Schnupfenmittel Ephedrin enthält. Hier sind im Interesse der Athleten den Realitäten angepaßte Regelungen dringend geboten.“

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