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  • Politik
  • Treuhand-Vorstandsmitglied Dr. Alexander Koch prophezeit Ostbetrieben

,Das dicke Ende des Knüppels kommt erst noch...

  • Dietmar Riet
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine überraschende Wende vollzogen die Liquidatoren der Treu- , handanstalt zum Wochenbeginn bei der Vollstreckung ihres Todesurteils gegen das Automobilwerk Eisenach (AWE). „Der 31. Januar ist als Termin für die Schließung des Automobilwerkes vom Tisch. Wäre alles beim alten geblieben, hätten die den Kanzlerbesuch in Eisenach vergessen können“, erklärte erregt AWE-Betriebsratsmitglied Hans Manegold am Mittwoch in Berlin nach einer Diskussion Vertretern der Treuhand-Chefetage.

Die Gewährung der Galgenfrist von acht Wochen hatte am Montagabend AWE-Geschäftsführer Dr. Wolfram Liedtke herausgeschunden. Vorausgegangen war eine riesige Protestwelle gegen den Produktionsstopp und die Entlassung der knapp 7 000 Mitarbeiter.

Der lebensgefährliche Treuhand-Crash-Kurs kippte bei AWE

das Vorantreiben der GmbH-Bildung, Bildungsmaßnahmen. Das Zeitloch bis zur Ansiedlung neuer Arbeitsplätze ist nicht zu überbrücken. Von all dem unbeein-

AWE soll ein neues Abwicklungskonzept vorlegen.

Treuhand-Direktor für Arbeit und Soziales, Peter Gemählich, denkt an ein beschäftigungspolitisches Projekt für Eisenach nach dem Vorbild des bereits geschliffenen Pentacon-Unternehmens. Darin enthalten: Fortbildungslehrgänge, Orientierungsseminare, Existenzgründungsprogramme. Für nur 300 der knapp 7 000 AWE-Mitarbeiter gebe es allerdings erst Ausbildungsmöglichkeiten. Bis Jahresende könne jeder ein Bildungsangebot erhalten. Vor allem auf sich „in die stille Reserve“ zurückziehende Frauen und mehr Pendler in Richtung Hessen hoffend, rechnet Gemählich mit einem Bedarf von 3000 bis 4500 Umschulungen und Qualifizierungen. Ein Viertel aller AWE-Mitarbeiter ist um die 50 Jahre.

Die AWE-Stülegung erweist sich als Auftakt für die Massenliquidie-

rung von Ostbetrieben in diesem Jahr. Koch offenbarte: „Das dicke Ende des Knüppels kommt erst noch – Chemie, Metallindustrie, Schiffbau...“

In der ostdeutschen Chemieindustrie sind bis Ende 1990 rund 100 Betriebe stillgelegt worden. Von den einst 320 000 Chemiearbeitern waren danach noch 27Ö 000 übrig. Die verbliebenen Unternehmen werden nach Einschätzung des Verbandes der Chemischen Industrie ihre Mitarbeiterzahl bis auf 50 Prozent reduzieren. In Buna z.B. werden in mehreren Wellen von derzeit noch über 15 000 weitere 8 000 Leute entlassen. Ohne Staatshilfe droht im Ballungsgebiet Bitterfeld-Halle-Merseburg eine katastrophale Massenarbeitslosigkeit.

Die Metallindustrie der ehemaligen DDR hatte 1,4 Millionen Beschäftigte. Ende vergangenen Jahres waren es nach Informationen

des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall noch 1,1 Millionen. Die Hälfte davon sind schon Arbeitslose in der Warteschleife - Kurzarbeiter.

34 500 Menschen arbeiteten im Sommer 1990 noch auf den fünf Seeschiffswerften im Osten. Insgesamt 58 000 waren es im ehemaligen Schiffbau-Kombinat. Auf der Rostooker Neptun-Werft stehen jetzt ca. 5 000 Arbeitsplätze auf dem Rand. Mitte des Monats meinte die Treuhandzentrale noch, man suche eine „zukunftsorientierte Lösung für die maritime Wirtschaft“. Nötig wären Milliardensubventionen und Zeit.

Der Bundeswirtschaftsminister verlangt cash, um die Staatsfinanzen steht es schlecht, Die Treuhand steht unter Druck. Das dicke Ende des Knüppels wird Wende-Illusionen zerschlagen.

DIETMAR RIETZ

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