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Ein satirischer Versuch über westliches Blech und östliche Bretter von MARTIN BUCHHOLZ

  • Lesedauer: 2 Min.

Ein neuer real-kapitalistischer Rekord ist zu vermelden: Im ersten freien ostdeutschen Jahr ist ohne jede Planvorgabe auf den Straßen ein Leichensoll erfülllt worden, das die früheren statistischen Werte nahezu verdoppelt. Stolze Zahlen, die weit über Weltniveau liegen: 2863 Tote bei etwa 75 000 Unfällen in den ersten elf Monaten 1990. Und das alles im Namen der neuen automobilen Freiheit.

Nun bin ich zwar ein Wessie – und höre immer, daß das Deutschvolk-West vom Deutschvolk-Ost in Mentalität und Psyche sehr verschieden sei, aber ich ahnte nicht, daß das Ossie-Volk offenbar in seiner großen Mehrheit kollektiv auf das Klassenziel hinarbeitet, bald ganz verschieden zu sein.

Wenn man im Westen eine bessere Beerdigung haben will, dann bestellt man sich einen Zinksarg. Im Osten bestellt man für denselben Zweck meist eine westliche Schrottkiste, aber frisch lackiert, versteht sich.

Von den 40 Milliarden Mark, die die Bundesbank am Tag der Währungsumstellung per LKW nach drüben rollen ließ, sind in den drei Wochen danach 20 Milliarden per PKW zurückgerollt worden – und zwar von den westlichen Autohändlern.

Die östliche Arbeiterklasse verschrottet sich selbst. Ein soziologisches Phänomen: Auf diese Weise ist die Arbeiterklasse zur Mittelklasse vorgestoßen. Zumindest zum Mittelklassewagen.

Die Klassenfrage wird inzwischen am Lenkrad gestellt. Wer heute noch Trabi fährt, ist selbst dran schuld. So einer hängt immer noch an einem Stück seiner Plaste und Elaste-Identität: Und die will man ja kollektiv verdrängen. Da werden die Ärmel hochgekrempelt – und der Trabi weggerempelt.

So verdrängt der Golf den Trabi gnadenlos in den Straßenrand. Der Golfkrieg tobt schon lange auf den ostdeutschen Straßen. Und am Golf selber kämpft die freie Welt für das Benzin der künftigen Schrott-Generation.

Wie sagen es die westlichen Versicherungs-Mathematiker so launig: Jeder gerammte Trabi ist ein Plus im Bruttosozialprodukt. Auch wenn dem Trabi-Fahrer hinterher der Führerschein abgenommen werden muß; zum Ausgleich wird dann meist sofort der Totenschein ausgestellt.

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