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Weit über zwei Millionen ohne Job

  • HANNELORE HUBNER
  • Lesedauer: 3 Min.

„Es ist ein Teufelskreis. Bis vor 6 Monaten war ich Sekretärin. Seitdem auf der Suche nach einem neuen Job. Auf alle Bewerbungen kamen nur Ablehnungen. Ich könnte jetzt in die Fortbildung gehen, aber inzwischen habe ich keinen Kindergartenplatz mehr. Den gibt's nur, wenn ich einen Arbeitsnachweis bringe. Wie's weitergehen soll, weiß ich nicht.“ Die junge Frau, alleinstehend mit zwei Kindern, will sich das nicht gefallen lassen und weiterkämpfen. Manchem fehlt, ob der Aussichtslosigkeit, bereits die Kraft dazu. Die 50jährige Waltraud G. hat ihre Hoffnung schon weitgehend verloren. „Arbeit? Hier kriegen Sie keine. Sie können froh sein, wenn Sie nach ein paar Monaten ein paar Pfennige Arbeitslosengeld kriegen.“

Nicht jeder in der Schlange der Arbeitsuchenden gestern auf dem Arbeitsamt 1 in Berlin wollte sprechen, und nicht jeder konnte es. So wie jene junge Frau, Ende dreißig, die seit Sommer vorigen Jahres arbeitslos ist, inzwischen etliche Bewerbungen schrieb und auch hier

wieder nur enttäuscht das Amt verließ. Als sie antworten wollte, bekam sie einen Weinkrampf.

Daß alle drei, die mir am Eingang des Arbeitsamtes entgegen kamen, Frauen waren, ist so zufällig nicht. Von den fast 800 000 registrierten Arbeitslosen sind 54,7 Prozent Frauen. Darunter 16 303, die älter als 55 Jahre sind. In diesem Alter noch einmal eine Arbeit zu bekommen, ist ohnehin schwierig, unter den derzeitigen Bedingungen in der Ex-DDR fast aussichtslos. Und die Zahl derjenigen, die ohne Lohn und Brot sind, steigt weiter an.

Selbst Heinrich Franke, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, konstatierte am Mittwoch in Nürnberg: „Einem starken Zugang in die Arbeitslosigkeit steht nur ein geringer Abgang gegenüber; folglich baut sich ein Arbeitslosenbestand auf. So haben sich von Juli 1990 bis heute 924 500 Personen arbeitslos gemeldet, aber nur 279 600 abgemeldet. Dadurch erhöhte sich der Bestand an Arbeitslosen in dieser Zeit um 644 900 auf 787 000. Hinzu kommen 1,9 Millio-

nen Kurzarbeiter mit steigender Dauer der Kurzarbeit und zunehmendem Arbeitsausfall. Die Gefahr, daß sich aus Kurzarbeit Arbeitslosigkeit entwickelt und aus Arbeitslosigkeit Langzeitarbeitslosigkeit entsteht, ist unübersehbar.“

Unberücksichtigt bei allen offiziellen Verlautbarungen bleiben Vorruheständler, alle in der Warteschleife und Pendler, die in den alten Bundesländern neue Arbeit gefunden haben. Mit Kurzarbeitern dürfte insgesamt die Arbeitslosenquote in den ostdeutschen Ländern bereits weit über 30 Prozent liegen.

In den alten Bundesländern dagegen sorgt anhaltendes Wirtschaftswachstum für eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes erhöhte sich die Erwerbstätigkeit von Dezember bis Januar um 120 000 und liegt mit 28,6 Millionen um 680 000 höher als vor einem Jahr. Die Arbeitslosigkeit, so der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, liege mit 1 868 900 13 Prozent unter der des Vorjahres.

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