Schlechte Nachricht für korrupte Politiker

Landgericht in Köln hält Ratsmitglied für bestechlich

  • Jochen Bülow, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.
Bisher brauchten sich korrupte Kommunalpolitiker wenig Gedanken über Nachforschungen des Staatsanwaltes zu machen: Flog die Gier nach Nebenherverdiensten auf, trat der Betroffene bestenfalls zurück und die Angelegenheit war erledigt. Das könnte nach einem Urteil des Kölner Landgerichts nun anders werden.
Heinz-Ludwig Schmitz (CDU) war viele Jahre das, was man einen Honoratioren nennt: Vorsitzender im Schulausschuss und Mitglied im Liegenschaftsausschuss. Gerade in letzterem lässt sich viel bewegen - und seit Monaten fragen sich Beobachter und Staatsanwaltschaft, was Herr Schmitz bewegt haben mag. Denn immerhin war er der Firma Trienekens ein jährliches Beraterhonorar von fast 300000 Mark wert. Trienekens ist bis zum Hals in die Kölner Müllkorruption verstrickt. Insgesamt soll Schmitz nach Ermittlungen Kölner Staatsanwälte insgesamt gut 370000 Euro aus diesem und weiteren Verträgen erhalten haben. Und da nicht bekannt ist, dass Trienekens schulischen Nachhilfebedarf hatte, möchten die Ermittler wissen, welche Gegenleistungen Schmitz für das viele Geld erbracht hat. »Ich habe mir nichts vorzuwerfen«, war der öffentliche Kommentar, sonst schweigt Schmitz eisern. Erst wollte er auch nicht zurücktreten, tat dies dann aber zur Erleichterung seiner Parteifreunde doch. Damit steckt auch die CDU im Schmiergeldskandal um die Kölner Müllmillionen. Doch juristisch setzte sich Schmitz gegen die Ermittlungen zur Wehr. Mitte der vergangenen Woche hat das Landgericht Köln ein wegweisendes Urteil gefällt: Demnach sind Kommunalpolitiker als »Amtsträger« anzusehen und unterliegen damit den entsprechen-den Vorschriften des Strafgesetzbuches über Bestechlichkeit und Vorteilsnahme. Bisher war dies umstritten, voraussichtlich wird der Bundesgerichtshof zu dieser Frage urteilen müssen. Für Beschuldigte wie Schmitz, Rüther, Biciste und viele andere Kommunalpolitiker bundesweit könnte es bald eng werden: Denn Kommunalpolitiker genießen als Amtsträger nicht die Bundes- und Landespolitikern zugestandene Rolle als nur ihrem Gewissen verpflichtete Meinungsäußerer - die folglich im juristischen Sinne nicht bestechbar sind - auch wenn sie von Interessengruppen oder Einzelnen Geld nähmen. Ratsmitglieder sind nämlich laut Gemeindeordnung NRW »dazu bestellt, insbesondere Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen und sind daher einem Verwaltungsbeamten oder -angestellten in strafrechtlicher Hinsicht gleichzustellen«, schreibt das Kölner Landgericht in seiner Begründung. Die Folge: Als Amtsträger wird mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft, »wer einen Vorteil als Gegenleistung für eine bestimmte Diensthandlung annimmt«. Also wird weiter ermittelt und die Ermittlungen in anderen Fällen werden ausgeweitet. Mit dem Christdemokraten Schmitz, der übrigens einen Teil der erhaltenen Gelder bereits zurückgezahlt hat, könnte der erste Präzedenzfall verhandelt werden. Beobachter halten den Korruptionsvorwurf für beweisbar, weil Zahlungen und Ratsentscheidungen, beispielsweise zur Privatisierung der städtischen Müllabfuhr, zeitlich eng beieinander lagen. Und Schmitz ist kein Einzelfall: Viele andere Kommunalpolitiker der großen Parteien haben ebenfalls über Jahre an lukrativen Beraterverträgen verdient, kamen in den Genuss von Aufträgen oder sonstiger Vorteile. Sie sahen sich aber bei Ratsentscheidungen nicht als befangen an. Jetzt ist die Verunsicherung groß: Was ist erlaubt und was nicht? Die Betroffenen tun sicher gut daran, sich an den Verhaltensvorschriften für Beamte zu orientieren. Jörg Detjen von der Kölner PDS begrüßte das Urteil und forderte gleichzeitig einen Verhaltenskodex, der über den bestehenden freiwilligen Kodex hinausgehen müsse. Als Korruptionsvorbeugung hält er eine Amtszeitbegrenzung beispielsweise auf zehn Jahre und mehr öffentliche Sitzungen für denkbar. Gleichzeitig wird erneut die Frage laut, ob Ratspolitiker künftig bezahlt werden oder weiter ohne feste Bezüge dienen sollen. Vor allem aber, da sind sich bis auf die Ratspolitiker fast alle einig, müssen die Beraterverträge und geschäftlichen Verbin-dungen auf den Tisch: Ohne Transparenz gibt es keine Kontrolle.
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