Richtfest unter alten S-Bahn-Bögen
„Ich'hoffe, daß das Ding hier rieh- ! tig einschlägt“, wünschte sich Herbert Ernst, Ex-Chef des abgewickelten Bierlokals „Nolle“ am Nollendorfplatz, beim Richtfest für Deutschlands demnächst größten ständigen Antik- und Flohmarktunter den S-Bahn-Bögen am Bahnhof Friedrichstraße. Hier soll bis Anfang Oktober im ersten Bauabschnitt eine Kunst- und Einkaufsmeile entstehen, die künftig vom Metropol-Theater bis zur Museumsinsel reicht. Ganz auf Zille steht das im Stil der 20er Jahre geplante Lokal „Nolle“ mit 400 Plätzen im und vorm Schanksaal mit kleinen Geschäften („Edeltrödel bis echte Antiquitäten“). Es werden, kündigt Zille-Fan Ernst an, vom Pinsel des berühmten Berliner Malers bis zu seiner Totenmaske
etwa 200 Ausstellungsstücke zu sehen sein. Die meisten stammen von einem Zille-Enkel. Ernst: „Der Senat hat es zu seiner Schande noch nicht geschafft, dem berühmten Berliner Sohn ein solches Denkmal zu setzen.“
Ernst bringt die Hälfte seiner Mieter aus den S-Bahn-Bögen am Nollendorfplatz mit. Die Architekten des neuen Projekts, Dreß und Wucherpfennig, projektierten und bauten bereits an den Bögen in der Uhlandstraße.
In den ersten acht S-Bahn-Bögen befand sich einst Berlins, ältester Bierpalast, die 1882 eröffnete Restauration „Zum Franciskaner“. Einst zählte er 3 000 Plätze und 360 Angestellte. Den „Franciskaner“ gab es bis etwa 1967/68. Er befand
sich damals in guter Gesellschaft, denn die S-Bahn-Bögen in Berlin beherbergten allerorten Wirte, Kolonialwarenhändler und Trödler.
Nach harten Verhandlungen mit der Reichsbahn hat es die Antikmarkt Berlin KG geschafft, die bisherigen Nutzer der S-Bahn-Bögen (unter anderem Mitropa und Intershop) vom Platz zu drängen. Mitte Februar haben die Bauarbeiten begonnen. Seitdem wurden zwischen 100 und 150 LKW-Fuhren mit Schutt abgefahren, 17 000 Meter Kabel gelegt, Rohre ausgewechselt. „Das alles hat den Bau verzögert und die Kosten hochgetrieben“, versucht der Bauherr die angepeilte Quadratmeter-Miete von 50 DM zu rechtfertigen.
DIETMAR RIETZ
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