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  • Blockfreie wollen auf dem Gipfel von Djakarta ihre Identitätskrise überwinden

Grundstein für „starke Bewegung der Dritten Welt“?

  • HENRI RUDOLPH, Djakarta
  • Lesedauer: 3 Min.

Für die Bewegung der Blockfreiheit (Non-aligned Movement, NAM) bietet der heute in der indonesischen Hauptstadt Djakarta beginnende 10. Gipfel die erste große Gelegenheit zur Besinnung und Neubestimmung des Kurses in einer völlig veränderten Welt. Seit dem 9. Treffen 1989 in Jugoslawien trat ein derartiger Wandel in der internationalen Arena ein, daß die Bewegung nahezu die Orientierung verlor und an ihrer Existenzberechtigung zu zweifeln begann. Der Zerfall des- sozialistischen Lagers, der UdSSR, Jugoslawiens (eines NAM-Gründungsmitgliedes), der Aufstieg der USA zur alleinigen Supermacht, der Golfkrieg, die politische Bewegung im Süden Afrikas und im Nahen Osten - das alles waren Ereignisse, denen die NAM ziemlich rat- und tatenlos zusah.

Erst im Vorfeld des 10. Gipfels, nachdem das zerbrochene Jugoslawien den Vorsitz vorfristig an Indonesien abgetreten hatte, fanden

die Nichtpaktgebundenen wenigstens ihre Sprache wieder. Während die Pessimisten in den eigenen Reihen, die der Bewegung keine Zukunft mehr gaben, verstummten, gewannen die Befürworter in den vergangenen Monaten Oberwasser. Indien, dessen „Flirt“ mit den USA trotz Klimaverbesserung (noch) nicht die erhofften Ergebnisse erbrachte, entdeckte die „Relevanz der Blockfreiheit“ auch unter den neuen Bedingungen wieder. Allerdings strebt Delhi nun stärker danach, nationale Interessen über das NAM-Forum zum Tragen zu bringen.

Malaysias Premier Mahathir fand kürzlich vor Journalisten wohl die klarsten Formulierungen, als er verlangte, die Bewegung als „Balance gegen den entwickelten Norden, der einen starken Block bildet“, neu zu strukturieren. Wenn man NAM aufgebe, so Mahathir, überließe man die Welt einer einzigen Supermacht. Indone-

siens Außenminister Ali Alatas nutzte als Gastgeber für das Forum der 108 Mitgliedsländer - erst am Sonntag war das 1979 ausgetretene Burma (Myanmar) wieder aufgenommen worden - diplomatischere Wendungen. Die neue Weltordnung erfordere die Präsenz einer kräftigen Bewegung der Blockfreiheit, die neue Prioritäten setzen müsse: „ökonomische Probleme, Umwelt und Entwicklung, Menschenrechte und Demokratisierung, Flüchtlinge und massive Einund Auswanderungsströme“ Generell verlangte er eine Umverteilung von Macht und Reichtum in der Welt zugunsten der Entwicklungsländer.

Auch Gründungsmitglied Ägypten möchte NAM nicht missen. Nach Auffassung von Außenminister Amir Moussa sollte auf dem Djakarta-Gipfel der Grundstein für eine „starke Bewegung der Dritten Welt“ gelegt werden. Mit Genugtuung wird hier auch die

Tatsache vermerkt, daß China zum erstenmal eine Beobachterdelegation zu einem Blockfreien-Gipfel entsandt hat.

Mit dem Djakarta-Gipfel kehrt die Bewegung der Nichtpaktgebundenen nach 37 Jahren an ihre Wiege zurück. Im indonesischen Bandung war sie 1955 von Politikern aus 29 jungen Nationalstaaten . Asiens und Afrikas konzipiert worden. Sie hatten Fragen des antikolonialen Kampfes beraten, der alles in allem schließlich von Erfolg gekrönt war. Heutzutage sprechen die Staats- und Regierungschefs der Paktfreien für mehr als die Hälfte der Menschheit, deren elementare Bedürfnisse - Essen, Wohnung, Arbeit - allerdings erst noch befriedigt werden müssen. Auch wenn der 10. NAM-Gipfel in dieser Beziehung keinen Durchbruch bringen kann, schaut die Welt für ein paar Tage doch mit Interesse nach Djakarta.

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