Fünf gegen den Fünffach-Triumph

Heute Auftakt der 90. Tour de France in Paris / Prolog unterm Eiffelturm / Armstrong (USA) möchte der Fünfte im Klub der Besten sein

  • Tom Mustroph, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Zum 100. Geburtstag der am Sonnabend direkt unter dem Pariser Eiffelturm startenden 90. Tour de France ist man geneigt, sich dem Zahlenspiel anheim zu geben. Die dominierende Frage ist eine leicht kabbalistische: Bringt es dem Amerikaner Lance Armstrong Glück, dass sein Vorname fünf Buchstaben lang ist, und gelangt er so als Fünfter nach Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain in den Klub der fünfmaligen Triumphatoren?
Fünf gestandene Radprofis stehen diesem Ereignis am meisten im Weg. Zunächst natürlich Jan Ullrich. Der frisch gebackene Vater geht austrainiert in den Saisonhöhepunkt. Mit Daniel Becke, Thomas Liese und Tobias Steinhauser hat er starke Zeitfahrer an seiner Seite und sollte so im Mannschaftzeitfahren (9. Juli) zumindest kein Terrain einbüßen. Angel Casero und Aitor Garmendia sind ihm in den Bergen jene Hilfe, die ihm zu Telekom-Zeiten oft fehlte. Allerdings war Ullrich bei bisher fünf Tour-Teilnahmen viermal Zweiter - droht jetzt das fünfte Mal?
Wie gemacht scheint das Profil der 3361 km langen Schleife von Paris über Lyon, Marseille, Toulouse, Bordeaux und Nantes wieder zurück nach Paris für Santiago Botero vom Team Telekom: ein Prolog zum Auftakt, zwei längere Einzelzeitfahren (18. und 26. Juli), das Mannschaftszeitfahren, viele mittelschwere Bergetappen, aber nur drei heftige Bergankünfte (13. Juli Alpe d´Huez, 19. Juli Ax, 21. Juli Luz-Ardiden), bei denen Favorit Armstrong in seinem leichtfüßigen Spinning den Kontrahenten Minuten abnehmen könnte.
Doch der Allrounder scheint vom Ex-Telekom-Kapitän Ullrich eine schlechte Eigenschaft übernommen zu haben: den Hang zum Übergewicht. Im bisherigen Saisonverlauf konnte er nur mit einem dritten Platz beim Zeitfahren der Katalonien-Rundfahrt überzeugen, versteckte sich ansonsten aber im Feld.
Flott voraus fuhren in diesem Jahr hingegen Iban Mayo und Alexander Winokurow. Der Kasache Winokurow von Team Telekom ist nach Siegen bei der Tour de Suisse, Paris - Nizza und dem Amstel Gold Race in der Form seines Lebens. Mayo, baskischer Hoffnungsträger von Euskatel, lieferte Armstrong bei der Dauphiné Libéré in den Alpen einen heißen Kampf um den Gesamtsieg, den er dort und vor allem in den heimischen Bergen erneut aufnehmen will.
Im Verlaufe der drei Pyrenäen-Etappen im zweiten Drittel der Tour (19. bis 21. Juli) ist die Vorentscheidung zu erwarten. Feiern lassen will sich da gern auch Joseba Beloki. Der Tour-Zweite des letzten Jahres ist ebenfalls Baske und erklärte in diesen Wochen erstmals, dass er an seine Siegchance glaube. Ihm dürfte entgegenkommen, dass das Once-Team sich 2003 ganz auf ihn konzentriert.
Das zweite Quintett der Armstrong-Kontrahenten wird vom Giro-Sieger Gilberto Simoni (Italien) angeführt. Der Saeco-Kapitän forderte Armstrong forsch heraus: »Der wurde in den Bergen noch nie richtig angegriffen.« Doch dürften für den ausgemachten Kletterer die Berge nicht steil genug, die Zeitfahren aber viel zu lang sein. Traditionell zählt der einstige Edelhelfer und Freund von Super-Lance, Tyler Hamilton, zum Favoritenkreis. Siegeswillen bewies er bei den Frühjahrs-Klassikern. Und CSC-Teamchef Bjarne Riis kann Hamilton aus eigenem Erleben verraten, wie man die Tour gewinnt.
Komplette Fahrer mit Meriten beim Giro und der Spanien-Rundfahrt sind Aitor Gonzales (Fassa Bortolo) und Stefano Garzelli (Vini Calderola). Mit einem Paukenschlag möchte der Vorjahressiebente Francisco Mancebo die Ägide der Banesto-Mannschaft ausklingen lassen. Das Team, das mit Miguel Indurain einst das Maß aller Dinge war, wird zum Jahresende wegen Sponsor-Rückzugs aufgelöst.
Beim heutigen Prolog - 6,5 km durch Paris - dürften alle diese Fahrer noch nicht aufs Podium fahren. Heiße Kandidaten für das erste gelbe Trikot der Jubiläumstour sind die Zeitfahrspezialisten Laszlo Bodrogi (Quick Step), David Millar (Cofidis) und Baden Cooke (FDJeux). Außenseiterchancen haben die Gerolsteiner Michael Rich und Uwe Peschel.

Sonnabend: Prolog über 6,5 km in Paris (Rund um den Eiffelturm): 15.50 Uhr Start des ersten Fahrers, gegen 19.15 Uhr Ankunft des letzten Fahrer.
Sonntag: 1. Etappe von Saint-Denis/Montgeron nach Meaux (168 km): Start 13.15 Uhr, Zielankunft gegen 17.04 Uhr.
TV am Sonnabend: ARD ab 14.03 Uhr (Reports), ab 17.03 Uhr live; Eurosport 17 Uhr. TV am Sonntag: ZDF ab 13.15; Eurosport ab 13.30 Uhr.
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