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  • Kultur
  • Studenten der Musikhochschule „Hanns Eisler“ stellten sich im Apollo-Saal vor

Witzige Opernminiaturen

  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht ohne Neugier sieht man den Aufführungen von Musikstudenten entgegen, bieten sie doch Gelegenheit, künstlerischen Nachwuchs unter Praxisbedingungen kennenzulernen. Studierende der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ bewiesen denn auch im Apollo-Saal der Staatsoper bei „Hin und Zurück“ von Paul Hindemith und „Die Heirat“ von Bohuslav Martinu, zwei Kurzopern, gestalterisches Talent.

Paul Hindemith hat sich in seinem „Sketch mit Musik“ den Witz erlaubt, Opernhandlungen als Krimiparodie, wie im Film möglich, vor- und zurücklaufen zu lassen. Eine Gegenreaktion gewissermaßen auf die gigantischen, mit Helden bevölkerten Musikdramen Wagners. Sein Miniwerk - 1927 in Baden-Baden uraufgeführt - ist im Alltagsmilieu einer Großstadt während der 20er Jahre angesiedelt. Das Libretto stammt von dem Kabarett-Autor Marcellus Schif-

fer: Familienszene am Geburtstagstisch: Die stocktaube Tante Emma im Lehnstuhl. Ehefrau Helene, ein Lied trällernd. Ein Brief ihres Geliebten bringt die Katastrophe: Ehemann Robert, schäumend vor Eifersucht, erschießt seine Frau, dann sich selbst. Ein Weiser greift als „höhere Macht“ ein, läßt das Schicksal sich zurückdrehen. Alles wiederholt sich, auch die Musik.

Auf der sparsam und pointiert von Ute Belkius ausgestatteten Bühne hielt Regisseur Martin Schneider die Studenten zu disziplinierter Aktion an, leider ging dabei auch einiges an vitalem Spielwitz verloren. Vielleicht kam das dem Musikalischen zugute, denn unter der Leitung von Gert Bahner wurde ansprechend und mit dem richtigen Drive gesungen und musiziert: Dana-Maria Dewerny ist eine überzeugende, stimmlich auch in schwierigen Koloraturen souveräne Helene, Christian Vogt ein arios eifernder Ro-

bert. Ein jazznaher, mit Bläsern und zwei Klavieren bestückter Instrumentalsatz des Orchesters.

Mehr Raum zu musikalischer Entfaltung fanden die jungen Leute bei Martinu. Der gebürtige Böhme hat seine komische Oper „Die Heirat“ (1953) nach einer Satire von Gogol (deutsch: Ernst Roth) weniger mit -spöttischer Schärfe als mit liebenswürdigem Charme ausgestattet. Es geht darin um den ehebereiten Junggesellen Podkoljosin, der die Heiratsvermittlerin und seinen Freund Katschkarjow mit Unentschlossenheit nervt und schließlich bei der Kaufmannstochter Agafja Gehör findet. Aber als es „ernst“ zu werden droht, sucht er eilig das Weite.

Regisseur Horst Bonnet hat gutmütigem Humor - anstelle einer Groteske - Raum gegeben. In biedermeierlichem Milieu (Bühnenbild: Ute Belkius, Kostüme: Elke Eckardt) wer-

den menschliche Schwächen bloßgestellt. Wenn auch hier die komödiantischen Möglichkeiten wieder nicht konsequent genutzt wurden, schien der szenische Grundtenor dennoch getroffen. Martinus Musik ist gefällig, heiter, tänzerisch, von schmeichelndem melodiösem Charme, voll von Anklängen an böhmische Folklore, reich an witzigen Zitaten. Schön in Klang und Geste das kleine Orchester und akzeptabel die gesanglichen Leistungen: Hoffnungsvoll Anke Herrmann (Agafia) mit silberhellem Sopran und starker Ausstrahlung. Angenehm der voluminöse Bariton von Thomas Kohl (Podkoljosin). Auch der Mezzo von Heike Schmidt (Heiratsvermittlerin) und der kräftige Tenor von Hardy Brachmann (Katschkarjow) versprechen viel. Wie überhaupt die gesanglichen Darbietungen solide Ausbildung verrieten.

LIESEL MARKOWSKI

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