Ein paar Tränen werden schon fließen

Am 1. September ist Ausverkauf im Tempodrom

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.
Wieder entschwindet ein Stück Tempodrom-Geschichte in einer Staubwolke. Mit viel Lärm rollen der Büfett- und der Duschwagen, die 20 Jahre lang treue Dienste geleistet haben, vom Hof. Den einen hat sich ein Gastronom abgeschleppt, der andere ging an eine Gruppe Rollheimer. Kehraus im Tempodrom am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune. Was noch da ist, wird am 1. September ab 12 Uhr verkauft - vom Reklameschild bis zum Zirkuszelt. »Da kommt schon Endzeitstimmung auf«, sagt Diethard Meyer-Laurenz von der Geschäftsführung. Immerhin löst sich vor seinen Augen eines der letzten großen Kulturprojekte der Alternativszene in Luft auf, eine Legende, die im Niemandsland am Potsdamer Platz begann und nach Stationen im Tiergarten und am Ostbahnhof im Dezember am Anhalter Bahnhof ihren neuen Anfang findet. Denn mit dem Kultur-Zirkus, den die ehemalige Krankenschwester Irene Moessinger 1980 gründete, hat das architektonische Wunderwerk mit Kuppeldach und Schwimmgrotte nichts mehr zu tun. Allerdings weiß Meyer-Laurenz, dass das neue Konzept einer gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt: dem Ausverkauf der Innenstadt. Seit sich millionenschwere Investoren auch für das Areal rund um den Ostbahnhof interessieren, ist die völlige Umgestaltung nur noch eine Zeitfrage. »Deutsche Bahn und Post AG wollen das Gelände so teuer wie möglich verkaufen«, ist sich der Mann aus der Musikbranche sicher. Der Mietvertrag wäre zwar erst im April ausgelaufen, der Platz wird aber bereits im September besenrein übergeben. Laut Meyer-Laurenz wegen »massiven Gegenwinds« von der Post AG. Deshalb soll beim Flohmarkt am Samstag das gesamte alte Inventar weg, von Bierbänken über CDs und Plakate bis zu Schreibtischen, Kopiergeräten und Lampen. Und auch das gelbblaue Veranstaltungszelt steht zum Verkauf. Den Wert schätzt der Geschäftsführer inklusive der 500 Sitzplätze, dem neuen Gestänge und der Wetterplane auf 40- bis 60 000 Mark. Ansonsten wird alles sehr preiswert sein. Hauptsache, die Sachen finden geneigte Besitzer. Ins neue Haus kommt nichts mit, außer dem größten Teil der Belegschaft. Viele können das schnelle Ende noch gar nicht fassen. »Wir werden am Samstagabend bestimmt noch ein paar Tränen vergießen«, meint Meyer-Laurentz.
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