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  • Politik
  • ÖSTERREICH; Kontroverse um das „Aufenthaltsgesetz“

Ab Schiebung folgt auf dem Fuße

  • HANNES HOFBAUER, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Als „sommerliches Polittheater“ bezeichnete Innenminister Franz Löschnak die zunehmende Kritik an seinem „Aufenthaltsgesetz“, das vor dem Sommer mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien im Parlament beschlossen worden war. Seit ÖVP-Justizsprecher Michael Graff am Dienstag von „verfassungsfeindlichen Paragraphen“ in diesem Gesetz gesprochen hat, tobt der sozialdemokratische Innenminister. Vor allem auch deshalb, weil Graff zugegeben hat, den Gesetzestext gar nie gelesen zu haben, bevor er ihm im Plenum des Hohen Hauses zustimmte.

Vordergründig geht die Auseinandersetzung um soziale Härtefälle, wie sie vom Aufenthaltsgesetz geschaffen werden. Täglich berichten Zeitungen von türkischen oder ex-jugoslawischen Familien, die den Buchstaben des Gesetzes zum Opfer fallen und in ihre Heimat abgeschoben werden. Wie beispielsweise jener kroatische Vater von drei Kindern aus dem mittlerweile serbisch gewordenen Vukovar, der die Frist für die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis versäumt hat und dem nun nichts anderes bleibt,

als zu Hause - wo immer das ist, jedenfalls nicht in Österreich - einen neuen Visumantrag zu stellen. Da die Erteilung von Einreisevisa für Arbeiter jedoch streng kontingentiert ist, braucht er sich keine großen Hoffnungen zu machen.

Fristversäumnis ist in diesen Tagen ein häufig auftretendes „Delikt“ bei ausländischen Arbeitskräften, wurde doch das Aufenthaltsgesetz mit 1. Juli dieses Jahres eingeführt und gleichzeitig die Fristsetzung für die Verlängerung der Sichtvermerke auf sechs Wochen festgelegt. Ab Mitte August kommen nun die ersten „Härtefälle“ ans Licht der Öffentlichkeit. Besonders tückisch ist § 6 des neuen Gesetzes, der die Nichteinhaltung der Frist auch dann zum Schaden des Antragstellers auslegt, wenn sie vom Beamten verursacht wird. Pech für den Antragsteller, wenn er auf einen faulen, überarbeiteten oder unwilligen Fremdenpolizisten trifft. Eine ungenützt verstrichene Sechswochenfrist führt dann unweigerlich zur Ausweisung. Blanke Willkür hat man so etwas zur Zeit der Hochblüte österreichischen Beamtenwesens, während der k. u. k.-Monarchie,

genannt. Doch dahinter steckt System.

Es geht um den Austausch alter, seit 20 und mehr Jahren im Lande arbeitender Türken und Jugoslawen gegen neue Arbeitskräfte aus den sogenannten ostmitteleuropäischen Reformländem. In Wahrheit zielt das Aufenthaltsgesetz auf all jene Ausländer, die es in den 80er Jahren versäumt haben, ihre Einbürgerung zu bewerkstelligen. Ihre Abschiebung ermöglicht eine Deregulierung des Arbeitsmarktes; gut ausgebildete Slowaken, Ungarn oder Polen nehmen dann die Arbeitsplätze der ersten Nachkriegs-Gastarbeitergeneration ein, zu für Unternehmer weit gün-“stigeren Bedingungen. Außerdem sind einmal abgeschobene Arbeiter/innen nurmehr schwer in der Lage, sich die Sozialtöpfe zunutze zu machen, in die sie jahrzehntelang eingezahlt haben.

Die österreichischen Botschaften in Bratislava, Budapest und Zürich sind in den letzten Tagen jedenfalls total überlaufen. Verzweifelte Gastarbeiter stehen dort vor dem Schalter Schlange und versuchen, den Sachbearbeitern klar zu machen, daß ihre Existenz auf dem Spiel steht.

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