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»Grünhelme« in Shishan

Rupert Neudecks neuestes Projekt: ein Schulneubau am Rande von Bagdad

  • Thorsten Keßler
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Armensiedlung Shishan nordöstlich von Bagdad haben Rupert Neudecks »Grünhelme« ungeachtet der gegenwärtigen Sicherheitsprobleme für Ausländer in dem von den USA besetzten arabischen Land in kurzer Zeit eine Schule errichtet.
In Shishan leben fast ausschließlich schiitische Flüchtlinge. Taxifahrer meiden die Gegend - wenn das Bagdader Armenviertel Sadr City mit seinen rund zwei Millionen Einwohnern schon als Slum bezeichnet werden kann, dann ist Shishan noch ein Steigerung. Hier leben etwa 20000 Menschen unter äußerst ärmlichen Lebensbedingungen. Fließendes Wasser und Elektrizität sind nur zeitweise vorhanden. Kanalisation ist ein Fremdwort. Doch Shishan besitzt jetzt ein Stück Hoffnung. Mitarbeiter der Hilfsorganisation »Grünhelme« - Vorsitzender ist der 64-jährige Rupert Neudeck, nachdem er sich aus seinem bisherigen Verein Cap Anamur zurückzog - haben eine Schule für rund 2300 Kinder errichtet. Ende Oktober war bereits Einweihung. Am Montag ergriffen die Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren von den 16 Klassenräumen in dem zweigeschossigen Gebäude Besitz. Mädchen und Jungen werden getrennt unterrichtet. Eine gemischte Schule würde gegen die religiösen Grundsätze der Schiiten verstoßen. »Die "Grünhelme" haben die Vision, einen Krieg verhindern zu helfen«, sagt Rupert Neudeck und meint damit den Konflikt zwischen dem Westen und der islamischen Welt, wie ihn vor einigen Jahren der US-amerikanische Politologe Samuel P. Huntington an die Wand gemalt hat. Ein wichtiger Bestandteil der »Grünhelm«-Idee ist, dass sich Christen und Muslime gemeinsam einem »Krieg der Zivilisationen« entgegenstellen. Angelehnt an die Peace-Corps-Idee des früheren USA-Präsidenten John F. Kennedy sollen junge Freiwillige drei Monate lang anderen helfen - einer von ihnen war der Architekt Thies Brüsehoff (siehe Interview). Bei ihren Einsätzen leben die freiwilligen Helfer, deren Einsatz weitgehend ehrenamtlich ist, inmitten der Bevölkerung. Nur so, glaubt Neudeck, erführen Hilfsprojekte eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. »Man muss sich mit den Menschen gemein machen, muss unter ihnen leben«, erläutert er seine Philosophie. Absolute Sicherheit gebe es nirgends, aber »wenn man nicht arbeiten kann, dann muss man entweder das Land verlassen oder in einen anderen Landesteil gehen«, kritisiert er die Vorgehensweise vieler Hilfsorganisationen, die verschanzt in der irakischen Hauptstadt residieren. Neudeck beklagt auch die verzerrte Berichterstattung durch die Medien: »Irak wird uns nur aus den Eingeweiden von Bagdad erklärt.« Man erfahre zum Beispiel auch nur wenig aus den weitläufigen Gebieten rings um die irakische Hauptstadt, in denen derzeit Tausende Vertriebene in ihre Heimatdörfer zurückkehren. Dort wäre es ein leichtes, schnelle humanitäre Hilfe zu leisten. Kaum ist die Schule von Shishan fertig gestellt, bereiten die »Grünhelme« bereits Einsätze im Norden Iraks vor. Außerdem baut die Hilfsorganisation in Tutachi, in der westafghanischen Provinz Gulran, eine Schule für rund 1200 Schülerinnen und Schüler. Ende November soll das Projekt fertig gestellt werden. Dem Bundeswehreinsatz in Kundus steht Neudeck distanziert gegenüber: »Die Bundeswehr braucht nicht nach Kundus zu kommen, um Hilfsorganisationen zu unterstützen.« Seit zwei Jahren arbeiteten die Hilfsorganisationen in Kundus, militärischer Schutz sei nie verlangt worden. Es sei aber von der Bevölkerung gewollt, dass das Kontingent der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) auch außerhalb Kabuls zum Einsatz kommt, sagt Neudeck. Neben Irak und Afghanistan hat Rupert Neudeck noch ein weiteres Krisengebiet im Blick. Die italienische Insel Lampedusa, der äußerste Vorposten Europas zum afrikanischen Kontinent. Dort leben 6000 Einwohner und mindestens die gleiche Zahl an Flüchtlingen. Nahezu täglich stranden weitere afrikanische Migranten an der Küste des Eilandes. Gemeinsam mit italienischen Hilfsorganisationen wollen sich die »Grünhelme« dort engagieren.
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