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Die interne Kampffront

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Karikatur: Harald Kretzschmar

Auslaufendes Modell

Traten die Achtundsechziger zuerst vor allem als Intellektuelle auf, vereinzelt mit den Arbeitern der großen Industriezentren verbündet, so verdichtete sich diese Bewegung in den siebziger Jahren zu einem „Netzwerk“ von Selbsterfahrungsgruppen, genossenschaftlichen Selbstverwaltungsbetrieben und Bürgerinitiativen, die ihre anfänglich auf die Straße getragenen Utopien nun in Gruppen zu verwirklichen versuchten und sich somit freiwillig mit erhobenen Armen ins Ghetto, und später an die Exekutionswand, an die Mauer der Föderierten begaben.

Durch den individuellen Etablierungsvorgang bei den einen und das soziale und/oder private Scheitern, bzw. Verweigern der andern, entstanden in diesen Splittergruppen, von denen ursprünglich Funken ausgingen, das revolutionäre Potential in der bürgerlichen Gesellschaft zu zünden, Antagonismen verschiedenster Art: Einmal der ökonomische, der dazu führte, daß die einen immer abhängiger von den anderen wurden, wodurch das demokratische Prozedere in den sogenannten W's oder GV's immer mehr zur Farce verkam; dann (und diesen Widerspruch verstärkend) ein sado-masochistisches Ritual, resultierend aus einem radikal abgebauten Eltern-Ich im Gefolge von Summerhill, Antipsychiatrie und Compagnie, was nun zu einem Nachholbedarf an autoritärinfantilen Machtstrukturen führt, die sich jedoch nicht ohne Blut, Schweiß und Tränen zu etablieren vermögen und sich auch durch große Prekarität auszeichnen.

Zu dieser psycho-ökonomischen Grundstruktur gehört 1

ein ausgesprochen „linkes“ Ritual, ein Prozedere, wie es Marx in seiner Analyse des Staatsstreichs Louis Bonapartes analysiert hat, als Legitimationsstrategie einer machthungrigen Clique, die den demokratischen oder gar sozialistischen Schein zu wahren gezwungen ist, um die neue Herrschaftsform auf dem Rücken ehemaliger Gleichgesinnter auszubauen.

Bei Männern führt diese Evolution zu einem Imponier-

Frauen ohne mit den angeklebten Wimpern zu zucken, dem Bürgertum dafür hin, radikalere Männer von den hart erkämpften Posten zu bugsieren.

Der gemeinsame Feind jedoch, für Erfolgreiche und Erfolglose, für Männchen und Weibchen ist das abtrünnige Exemplar, der sich vom Rudel entfernende, sich nicht unterwerfende, eigene Gedanken und Gefühle entwickelnde, auf Gedeih und Verderb abso-

andere seiner Generation tappen sehen will. Deshalb muß das resistierende Individuum durch Unterwerfungsrituale gezwungen werden, in die Gruppe „einzutreten“, sich einzuordnen in eine Kompagnie des großen Heeres der zur Macht schreitenden Generation. Die wenigsten autonomen Individuen sind genügend stark, sich diesem Gruppendruck eine lange Zeit, ein chinesischer Ausdruck für zehn Jahre, zu widersetzen: meistens unterliegen sie der Horde, und das erstbeste Alpha-Tierchen (Feministin oder Machist) drückt ihnen den Stipfel in den Nackpn.

Was zur Entschuldigung dieses autoritären Verhaltens angeführt werden kann, ist die Tatsache der „gescheiterten Revolution“, denn niemand hält es aus, eine Revolution nur im Kopfe zu machen. Und genau das geschah den Achtundsechzigern und Nach-Achtundsechzigern: Sie wurden betrogen um die Verwirklichung ihrer Ideale, wie übrigens das fortschrittliche Segment jeder vorhergehenden Generation, und hängen nun als Resignierte oder gar Zyniker in Institution und Business, in Redaktionen, Rektoraten und Reaktorzentralen herum, merzen die noch in Freiheit lebenden Artgenossen . durch Existenzvernichtung aus, indem sie ihnen keine Aufträge mehr geben, sondern nur noch ihre Ideen klauen, andere versuchen nach der Lustverlust-Phase der Selbstausbeutung in den selbstvergewaltigten Betrieben eine Genossenschaft durch kleinkapitalistisches Wirtschaften, bei dem die Selbstausbeutung von der Familien- (sprich: Horden-)Ausbeutung abgelöst wird, auf Vordermann zu bringen; wieder andere (und es sind leider nicht die Unsensibelsten) haben sich dem sü-ßer Duft der Blumen des Bösen -rgeben und ziehen ihn genüßlich ein, die künstlichen Paradiese dem wirklicher; Elend vorziehend.

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