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Militäroffensive statt Verhandlungslösung

  • ANDREAS FLEISCHER
  • Lesedauer: 4 Min.

Südsudanesische Flüchtlingskinder in einem Camp in Kenia. Viele sind seit Jahren von ihren Eltern getrennt

Telefoto: dpa

Trockenheit, Hunger, Überschwemmungen, Heuschrecken - was wie die Aufzählung der Plagen aus der Mythologie klingt, ist die nicht übertriebene Darstellung der mittel- und unmittelbaren Folgen des Bürgerkriegs in Sudan. Fernab scheint das Land, das von 38 Jahren seiner unabhängigen Existenz 27 unter Bürgerkriegsbedingungen gelebt hat. Ein bis zwei Millionen Menschen sollen allein seit 1983 im Gefolge der Auseinandersetzungen zwi-

sehen den Machthabern im arabisch-islamisch geprägten Norden und den afrikanischchristlichen bzw. -naturreligiösen Völkerschaften des Südens umgekommen sein. Nur ab und an wird Sudan von den Medien in Erinnerung gerufen - sei es durch eine neue Enttäuschung im Ringen um Frieden oder durch einen Putsch.

General al-Beshir hatte im Juni 1989 die Zivilregierung Sadeq al-Mahdis gestürzt. Ursache für den Putsch waren Uneinigkeit und Korruption in der Regierung, die rapide Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage sowie das Unvermögen, eine dauerhafte Lösung für den Konflikt im Landessüden zu finden.

Die Auslandsschulden von heute 14 Milliarden Dollar waren von Khartum bereits

seit 1985 nicht mehr bedient worden. Kein Wunder, denn der Bürgerkrieg kostet den Staat täglich rund 2 Millionen Dollar. Im Gegensatz zur Mahdi-Regierung schienen die Militärs zunächst gewillt, mit dem IWF, bei dem Sudan mit 1,1 Milliarden verschuldet ist, zu einer Einigung zu gelangen. General al-Beshir leitete deshalb einige IWFfreundliche Maßnahmen ein, darunter die Abschaffung der Subventionen für Grundnahrungsmittel.

Doch auch die Militärregierung war außerstande oder nicht willens, ihre Versprechen - Frieden und Brot - zu erfüllen. Dies erleichterte Versuche des Chefs der Sudanesi-

(SPLA), John Garang, sich als nationaler Oppositionsführer zu profilieren. Die SPLA kontrolliert seit Jahren nach eigenen Angaben 750 000 Quadratkilometer im Süden.

Ungeachtet der Bekenntnisse Khartums zu religiöser Toleranz schritt unter der Militärjunta die Islamisierung der Gesellschaft weiter voran. Beshir zögerte die Abschaffung der unter seinem Vorgänger teil-suspendierten islamischen Gesetzgebung hinaus und torpedierte damit jede Einigung mit der SPLA. Ohnedies hatte der neue Machthaber zugegeben, Sadeq al-Mahdi gestürzt zu haben, weil die Regierung kurz vor der Unter-

zeichnung eines Friedensabkommens mit den „Südrebellen“ gestanden hatte.

Die Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung verringerte aber auch die Spaltung der SPLA Ende 1991 in SPLA-Mainstream und SPLA-United. Der Grund: Nach dem Umsturz in Äthiopien 1991 verlor die Guerilla die Rückendeckung Addis Abebas, wo sich ihr Hauptquartier befunden hatte. 1992 entstand unter Kommandant Bany eine weitere Fraktion. Wegen der Spaltung der SPLA gibt es keinen einheitlichen Partner Khartums für die Verhandlungen, in die sich seit 1991 Nigeria, Uganda und Kenia eingeschaltet haben.

Überraschend kam im April 1993 die Ankündigung der Regierung, sie verzichte künftig auf den Islam als Staatsreligion und auf das Wort „Islamisch“ im Staatsnamen. Die Scharia solle im Süden des Landes durch ein „anderes Gesetz“ ersetzt werden. Die SPLA äußerte jedoch, die Vorschläge seien nichts anderes als eine „Fassade“, um die ganze Nation dem Islam zu unterwerfen. Sie pochte auf ihr Konzept einer Föderation aus zwei Staaten für eine Übergangsperiode.

Nach dem Scheitern der Gespräche im Mai 1993 startete Khartum, nachdem fast zwei Jahre politisch und militärisch Stillstand geherrscht hatte, wieder Bombenangriffe gegen südsudanesische Städte. Ergebnis der Offensive war jedoch, daß die SPLA-Fraktionen den Regierungstruppen - mehr oder weniger - geeint entgegentraten, ohne freilich ihreJDifferenzen beizulegen.., w

«“Das ' wiedergefundene'' Sönffnisf der « sud&id'anesi'schen Kräfte hält bislang den Angriffen Khartums stand und straft General al-Beshir Lügen, der im Oktober vergangenen Jahres, als er sich zum Präsidenten Sudans krönen ließ, die SPLA für besiegt und aufgerieben erklärte. Er ist davon wohl selbst nicht überzeugt. Jüngst wurde Journalisten ein Maulkorb verpaßt: „Die Pressefreiheit muß begrenzbar sein. Denn ein Verrückter, der Journalist ist, kann die gesamte Gemeinschaft zerstören“, betonte al-Beshir.

Beobachter befürchten, daß dies Teil eines großangelegten Schlages gegen Südsudan ist. Neben den Bombenangriffen der letzten Tage rechnen sie mit einem Angriff der Regierungstruppen von zairischem und zentralafrikanischem Gebiet aus. Der könnte alle Bemühungen um eine Lösung des Sudankonfliktes erneut in, unerreichbare Ferne rücken.

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