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  • Kultur
  • Fünf Jahre Kammermusik „die neue brücke“ in Berlin-Marzahn

Glasperlenspiel

  • Lesedauer: 2 Min.

Überraschende und ungewöhnlche Programme haben das klingende Angebot „der neuen brücke“ im glashellen Raum der „Galerie M“ an der Marzahner Promenade attraktiv gemacht. Seit fünf Jahren konnte sich diese von Kurt Dietmar Richter initiierte und mit öffentlichen Mitteln gestützte Berliner Künstlerinitiative behaupten. Regelmäßig wird Kammermusik des 20. Jahrhunderts in ihren wechselnden Bezügen zu anderen Künsten präsentiert. Bildnerisches bot sich in den Räumen der Galerie von vornherein an, aber ebenso Literarisches. So bestimmte zum Jubiläumskonzert Dichtung von Hermann Hesse das Programm, setzte unter dem Titel des Romans „Ein Glasperlenspiel“ anspruchsvolle Zeichen. Die Humanität des an Krieg, Zerstörung und Vereinzelung leidenden spätbürgerlichen Dichters (1877 bis 1962) hat kompositorische Erfindungen immer wieder angeregt.

Liedvertonungen bildeten an diesem Abend den Mittelpunkt, waren jedoch flankiert von Kompositionen für Harfe. Das

Instrument konnte sich hier in seiner individuellen Eigenart entfalten, ganz vorzüglich gespielt von Katharina Hanstedt, die als Solistin oder mit ihrer Schülerin Tatjana Schütz in trefflichem Duo musizierte. Das nach einer Orgelkomposition von Dewey Owens bearbeitete gefällige Musizierstück von dem Belgier Cesar Franck (1822 bis 1890) wie ein Duo (1981) des achtzigjährigen Hindemith-Schülers Harald Genzmer, unsentimental und „neusachlich“, aber auch ins Schwärmerisch-Zarte ausweichend, gaben die klanglichen und spielerisch-virtuosen Varianten der Harfe eindrucksvoll wieder. Ebenso das raffinierte Solo-„AquareH“ (1989) von Johann Cilensek (geboren 1913). Bei einer Uraufführung, den „Enigmas I“ (1992) von Dieter Brauer (geboren 1935) konnten die beiden Musikerinnen ihr feinsinnig-transparentes Spiel mit allen Künsten der Improvisation voll entfalten.

Dem Dichter unmittelbar nahe waren zwei Liedzyklen, die das Anliegen des Programms prägten. Gelungen und tiefbewegend, für mich der stärkste

künstlerische Eindruck des Abends, Rudolf Wagner-Regenys (1903-1969) „Gesänge des Abschieds“ (1968) mit fünf Hesse-Vertonungen, die in schlichter melodischer Diktion und kunstvoll kommentierendem Klaviersatz Resignation und Schmerz des Dichters wie des Komponisten zum Ausdruck bringen. Der Tenor Joachim Vogt, zuverlässig assistiert von der Pianistin Sheila Vonk, brachte das mit schöner Stimmkultur und genauer Textartikulation nahe.

Weniger überzeugend waren fünf Hesse-Vertonungen des US-amerikanischen, in

Deutschland wirkenden Komponisten Allison Campbell (geboren 1950) „Die Blauen“ (1989), in extrem hoher Sopranlage gesetzt und mit Intonationsschwierigkeiten gespickt. Die Sängerin Dagmar Wietschorke, mit heller, in der Höhe etwas scharfer Stimme, hatte zu tun, Töne und Linie zu produzieren (am Flügel wieder souverän: Sheila Vonk). Hesse blieb bei solch artifiziellen Anforderungen auf der Strecke.

LIESEL MARKOWSKI

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