Migranten als Geldgeber

Viele Länder wollen das Potenzial der Abwanderer nutzen

  • Ursula Rütten
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Wie die Bundesrepublik das Potenzial Diaspora-Gemeinden als Brücke zwischen Einwanderungs- und Herkunftsland nutzen kann, erörterten kürzlich Experten für Migrations- und Entwicklungsfragen. Anlass war ein Erfahrungsaustausch der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) kürzlich in Berlin.

Hier zu Lande habe man vor allem die demographische Entwicklung und die strukturellen Folgen der Zuwanderung sowie die Integration entlang des deutschen Wertsystems im Blick, konstatierten die Tagungsteilnehmer. Dazu gehören die Beschäftigung, die Gefährdung der sozialen Sicherungssysteme sowie der inneren Sicherheit oder die Osterweiterung der EU. Deutlich werde die kritische Haltung gegenüber Migranten auch daran, dass Ausländer hier zu Lande kaum in Führungspositionen zu finden seien. In anderen EU-Staaten, den USA oder Kanada sei es viel selbstverständlicher, dass ein Afrikaner oder Asiate beispielsweise auf einen Lehrstuhl berufen wird oder eine leitende Funktion in Forschung und Industrie erhält. Ungeachtet dessen erarbeiten Migranten erstaunliche Summen, die sie vorwiegend als Überlebenshilfen an Angehörige in der Heimat überweisen. Diese Beträge sind weltweit von 1,2 Milliarden US-Dollar 1970 auf über 100 Milliarden US-Dollar 2001 gestiegen und liegen damit um ein Zweifaches höher als die öffentlichen Entwicklungshilfezahlungen. In der Türkei sind die Rücküberweisungen, namentlich aus Deutschland, vier Mal höher als die ausländischen Direktinvestitionen. Für das von Kriegen, Embargo und internen politischen Desastern gebeutelte Serbien spielen die Rücküberweisungen aus der Diaspora in Europa und Amerika eine Schlüsselrolle. Nach Angaben des Gouverneurs der serbischen Zentralbank, Radovan Jelasic, liegt der Kapitalzufluss aus diesen Quellen 2003 mit offiziell 2,7 Milliarden US-Dollar (ohne »schwarz« zugeführtes Geld) gerade mal 6,6Prozent unter den Exporterlösen Belgrads (2,9 Milliarden US-Dollar 2003). Schätzungen zufolge soll die serbische Gemeinschaft allein in Deutschland über insgesamt etwa 50 Milliarden Euro verfügen. Grund dafür sei jedoch nicht, dass die mit rund 700000 serbischen Mitbürgern - nach den Türken die zweitgrößte nicht-deutschstämmige Bevölkerungsgruppe - so optimale Bedingungen hat, betonten die serbischen Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf der GTZ-Konferenz. Verantwortlich seien unter anderem Unzulänglichkeiten in der Heimat. Bislang werde beispielsweise das meiste Geld von Busfahrern gut am eigenen Leib versteckt in die Heimat transportiert. Dort lande es im Sparstrumpf oder fließe als Kapitalstock in ein unangemeldetes Kleingewerbe, hieß es. Dadurch gibt es keinen Zuwachs an offiziellen Devisenreserven und keine Handhabe, es mittels Besteuerung in den serbischen Wirtschaftskreislauf gelangen zu lassen. 70Prozent des registrierten Kapitalaufkommens für Investitionen, so der Zentralbankchef Jelasic - etwa eine Milliarde US-Dollar würde jährlich am offiziellen Finanzmarkt vorbeilanciert. Die Hälfte davon aus Rücküberweisungen von Migranten. Jelasics Außenamtskollege Jeremic vertrat die These: Wirtschaftliche Sanierung könne in Serbien nur gelingen, wenn sich sein Land diese Kräfte aus der Diaspora wieder zurück hole. Deshalb verspricht sich Zoran Jeremic von einem Diasporaministerium in Belgrad mit einem »First-Step-Shop«, also einem Informationszentrum für Migrationsrückkehrer, einen ermutigenden Effekt. »Die Rechnung geht so bald nicht auf«, argwöhnte indes der Historiker Milan Kosanovic von der Michael-Zikic-Stiftung. Der Vertrauensschwund in den serbischen Staat sei ungebrochen, und gerade der Mittelstand sei in Deutschland mehr oder weniger integriert. Will man diese Diaspora erreichen und mit ihr gezielt Konzepte zur Förderung ihrer Potenziale entwickeln, müsste, so Kosanovic, die Information und Kommunikation verbessert werden. Sowohl bilateral als auch zwischen den Diasporagemeinden untereinander. Die serbische Regierung müsste Reintegrationsbemühungen unterstützen. Ein Schritt in diese Richtung wäre ein Dachverband für alle serbischen Migranten. Hierfür will die Michael-Zikic-Stiftung (mit Sitz in Bonn) die soziale, ökonomische und Bildungsstruktur dieser Gemeinde in einer soziologischen Studie erfassen, unterstützt vom serbischen Außenministerium. Die deutsche Bundesregierung könnte ihrerseits etwas tun, um kurzfristig Bewegung in die durch Zuzugs- und Abwanderungssperre erstarrte serbische Diaspora zu bringen: die Erteilun...

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