Leichte Variante

»Die Nacht kurz vor den Wäldern« von Koltès

Ein Bühnenbild gibt es nicht. Die 26-jährige Schauspielerin Susanna Meyer mimt einen Mann, der auf der Straße lebt und über den Wahnsinn in den Metropolen spricht. Verrückter, Penner, Philosoph - alles zusammen. Mit »Die Nacht kurz vor den Wäldern« bringt das Orphtheater ein Stück des bekannten französischen Dramatikers Bernard-Marie Koltès auf die Bühne Koltès schuf ein poetisch-düsteres Werk über einen Namenlosen, der uns mitnimmt auf eine Reise an die Ränder der Nacht, durch den Moloch Stadt, eine Reise in die Abgründe des Lebens und der Psyche. Die Schauspielerin füllt nun den Raum mit ihren Bewegungen - meist sehr schnelle und flüssige. Sie klammert sich an Rohren fest, zwängt sich in eine Nische, stellt sich an die Wand, durchquert den Raum, bleibt stehen. Dabei spricht sie immer, erzählt von Erfahrungen und Begegnungen auf der Straße, fordert eine starke Gewerkschaft oder redet von den Nervenkostümen der Menschen. Die Darstellerin braucht kein Bühnenbild. Aus Bewegung und Sprache entsteht das Bild eines jungen Mannes, der sich auf der Straße durchschlagen muss. Das macht sie richtig gut, ihr Spiel ist harmonisiert, leicht und schnell. Aber Susanna Meyer ist ein wenig zu cool und zu verliebt in den eigenen Auftritt, als dass die Brüche, die Koltès Protagonist aufweisen muss, wirklich erfahrbar werden. Ihr Spiel ist wie eine Erzählung, in der über tiefe Gefühle nur berichtet wird - aus sicherem Abstand heraus. Liest man dagegen die Ankündigung des Orphtheaters, so kommt man gar nicht umhin, einen Menschen zu erwarten, der Einsamkeit und Kälte kennt, voller Zorn, Trauer und Sehnsucht ist. Starke Emotionen, die die Dramatik bestimmen, die Psyche prägen und handlungsweisend sind. Diese Gefühle werden angedeutet, aber nie richtig spürbar. So bleibt es bei einem zwar gekonnten und geschlossenen Spiel. Aber Koltès Perspektive eines Außenseiters, der nur auf den Nachtseiten des Lebens zu Hause ist und nach dem Warum fragt, wandelt sich zum Bild eines Straßenjungen, der seine schlechte Lage noch weitgehend locker zu nehmen vermag. Der jung verstorbene französische Dramatiker schrieb ein poetisches Nachtstück, das Orphtheater zeigt uns eine Light-Variante davon. Regie führt Andreas Wiedermann und für Geräuschkulis...

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