nd-aktuell.de / 18.09.1995 / Kultur / Seite 11

Eine Heimstatt russischer Oper

mit spürbarem Vergnügen, das war schon ein Kunstgenuß besonderer Art. Und die anderen Klanggruppen des Orchesters hielten tapfer mit. Nach solch fröhlich-beschwingtem Auftakt blieb dieser Geist kräftig pointierenden, virtuosen Musizierens auch bei der Interpretation der 9 Sinfonie Dmitri Schostakowitschs erhalten. Im August 1945 beendet, nach dem Sieg im Großen Vaterländischen Krieg eigentlich als Siegessinfonie erwartet, war das Werk damals mutiger Angriff auf falsches Pathos in neoklassischem Gewände, voller Ironie und Bitterkeit, ja auch Trauer Alles andere als ein billiger Triumph. Die Sinfonie widersetzte sich der offiziell erwarteten Heldenpose durch

ständiges Umschlagen von virtuos-spielerischer Aktivität in brutale Primitivität, durch schmerzliche, klagende Akzente. Kreizberg sorgte für eine makellos transparente, wiederum betont expressive und virtuose Wiedergabe, an der auch die brillanten Soli der Bläser, geführt vom 1. Flötisten Werner Tast, wesentlich Anteil hatten.

Der zweite Teil dieses Abends gehörte dann Nikolai Rimski-Korsakow, seinen dramatischen Szenen „Mozart und Salieri“ nach Puschkin, hier in konzertant-szenischer Version geboten, von Harry Kupfer sozusagen halbszenisch arrangiert: Ein Tisch mit Stühlen, ein Clavicembalo, vors Orchester gestellt, schufen den Spiel-

raum, in dem in Kostümen der Zeit Mozart und sein Konkurrent, der Hofkapellmeister Antonio Salieri, diskutieren. Aus der romantischen, bis heute unbewiesenen Legende vom Giftmord Salieris an Mozart machten Puschkin und Rimski-Korsakow eine musikalische Kunstdiskussion zwischen dem alternden Kapellmeister und dem jüngeren Rivalen. Salieri verteidigt sein Künstlertum in elitärem Anspruch gegen das Leben und steht so angewidert zum einen, neidisch zum anderen, dem weltoffenen Künstlertum des Jüngeren, Mozart, verständnislos gegenüber. Für ihn sind Leben und Tod wie Klänge und Musik Gegenstand neutraler, sachlicher Analyse. Diese Analyse liefert

ihm dann die nach Handwerkerart zusammenzufügenden Bausteine für seine Kunst. Verantwortung für das Leben auch in der Kunst ist diesem Künstlertyp fremd. So haßt er das Genie, das sich mit tausend Fäden dem Leben, der Welt verbunden fühlt, und scheut auch nicht vor dessen Vernichtung zurück.

Zitate Mozartscher, auch Salierischer Musik sind in Rimski-Korsakows Partitur eingeschmolzen. Dazu liefert das Orchester mit seinen Begleitungen der deklamtorisch-ariosen Dialoge das ebenso feinfühlig reagierende wie klanglich differenzierende Fundament. Ausgezeichnete junge Solisten - der Tenor Ilja Lewinsky als Mozart, der prächtige Baß Ma-