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„Kühles Schwarzes“ fiir Astronomen

Satellitenteleskop soll schwache kosmische Infrarotquellen untersuchen Von UWE SEIDENFADEN

  • Lesedauer: 3 Min.

Im Simulator wird getestet, ob das Teleskop die Sonneneinstrahlung im All verträgt Foto: ESA

Ein „Teleskop in der Thermoskanne“ soll am 8. November mit einer Ariane-Rakete in eine Erdumlaufbahn starten. ISO (Infrared Space Observatory) ist Europas erstes Infrarotobservatorium. Mit dem Teleskop will man die Vorgänge in den dunklen und kühlen Teilen des Universums erkunden. Unter den Beobachtungsobjekten sind ferne Kometen, entstehende Sterne, Planeten und junge Milchstraßensysteme.

750 soll die dem menschlichen Auge verborgene Infrarotstrahlung bei Wellenlängen zwischen 2,5 und 240 Mikrometer (tausendstel Millimeter) untersuchen. In diesem Bereich strahlen kühlere kosmische Objekte, wie Staub- und Molekülwolken, aus denen sich Sterne und Planeten bilden. Von der Erdoberfläche ist die Infrarotstrahlung aus dem All allerdings nur lückenhaft zu beobachten. Die Atmosphäre „verdeckt“ die viel schwächeren Wärmeflüsse aus den Tiefen des Universums. Infrarotbeobachtungen vom Boden sind deshalb fast genau s.o sinnlos wie Blitzlichtaufnahmen des Sternenhimmels. Deshalb ist es wichtig, mit dem Infrarotteleskop die Atmosphäre zu verlassen. Sein Innenleben muß nicht nur schwärzer als die Nacht sein, seine Temperatur muß zudem so nahe wie möglich an den absoluten Nullpunkt kommen. Deshalb muß es gut gekült und zuverlässig vor der Sonnenwärme geschützt werden. 2250 Liter flüssiges Helium kühlen das 60-Zentimer-Teleskop und die Instrumente von 750 auf eine Temperatur von nur drei Grad über dem absoluten Nullpunkt. Nach etwa 18 Monaten wird das flüssige Helium verdampft sein und das in einem Jahrzehnt entwickelte Observatorium wird „erblinden“.

Nur einmal ,vQr,750 wurde ein Infrarotteleskop in die, Umlaufbahn gebrächt, der ameri : kanisch-holländisch-britische 77L45. Der hatte 1983 eine Bestandsaufnahme des gesamten Himmels und wichtige Argumente für die Diskussion über die Urknall-These geliefert. Das neue Weltraumobservatorium soll einzelne Objekte näher untersuchen. Für diese Zwecke sind vier Instrumente an Bord: eine Kamera (750-CAM), ein abbildendes Photopolarimeter (ISOPHOT) sowie ein Kurzwellen- und ein Langwellenspektrometer.

Mit der hohen Nachweisempfindlichkeit von bis zu einem Atto-Watt (10“ 18 Watt) kann ISOPHOT auch zu physikalisch-chemischen Messungen am interstellaren Staub benutzt werden. Bislang sind Eigenschaften und Zusammensetzung der Staubkörner weit-

gehend ungeklärt. Während Viele Astronomen Silikate, Eis und teerartige (polyzyklisch aromatische) Teilchen erwarten, vertritt der britische Astrophysiker Fred Hoyle die Ansicht, es könne sich auch um „Lebenskeime“ vergleichbar den Bakterien handeln.

In den mehrere Lichtjahre großen Molekülwolken spielt sich zugleich die Entstehung von Sternen und Planetensystemen ab. ISO soll u.a. herausfinden, wann die stellaren „Geburtswehen“ einsetzen und wie häufig „Fehlgeburten“ sind.

Mit ISO wollen Forscher wie Heinrich Volk vom Max-

Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg auch die fernsten Objekte des Universiums, die Quasare, näher studieren. Wegen der Ausdehnung des Universums bewegen sich viele Quasare mit annähernder Lichtgeschwindigkeit scheinbar von der Erde weg. Ein Teil ihres Lichtes wird dabei in den infraroten Teil verschoben, der mit 750 erfaßt werden kann. Spektrale Untersuchungen können bislang unzugängliche Informationen über die stärksten Strahlungsquellen liefern.

Die gesamte Beobachtungszeit war bereits Monate vor dem Start vergeben, so Gernot Hartmann von der Deutschen Agentur für Raumfahrtangele-

genheiten. Da nur 18 Monate zur Verfügung stehen, wird auf Ökonomie besonderer Wert gelegt. Mit ISOPHOT wollen die Forscher sogar die Kameraschwenks zwischen den einzelnen Detailbeobachtungen ausnutzen. In dieser Zeit beobachtet das Instrument Objekte, die rein zufällig sein Blickfeld kreuzen. Diese Zufalls-Durchmusterung wird zu einer ersten Großfeldaufnahme des Kosmos im langwelligsten Bereich führen und besonders kalte Objekte (15 Kelvin) enthalten. Die Durchmusterung kann vielleicht Hinweise auf die Zahl der Kometen jenseits der Jupiter- und Saturnbahn liefern.

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