Verlorene Generationen

Von Ernst Kulcsar

Ernst Kulcsar hat seine Heimat Rumänien aus politischen Gründen verlassen müssen und lebt seitdem als Publizist in Nürnberg.

Im Kontraste-Magazin bedauerte Frau Petra Lidschreiber am Donnerstag mit belegter Stimme das Demokratieverständnis der Ostdeutschen, denen grade noch ein Politologe bestätigt hatte, sie stellten die »verlorenen Generationen« der Wiedervereinigung dar, im Unterschied zu den Politikern. Wie man mit Körpersprache ehrliche Empörung, edlen Abscheu und eine kaum wahrnehmbare Furcht ausdrückt, haben vor Wochenfrist auch SPD-Superminister Wolfgang Clement und CDU-Terribilist Friedrich Merz fein vorgemacht. Sie gaben sich, als säßen sie einer Schwarzen Witwe gegenüber und nicht PDS-Mann Bodo Ramelow, Börries von Ditfurth von der IHK Leipzig sowie einer einst charmanten deutschen TV-Lady, Sabine Christiansen. Man sprach über die Montagsdemonstrationen, und Herr Clement empörte sich: »Ich habe die Montagsdemonstrationen damals verstanden, wie alle in Deutschland und alle in der ganzen Welt, als Demonstrationen gegen das damalige Spitzelsystem und gegen die damalige Kommandowirtschaft.« Er fände es »obszön«, wenn die Ostdeutschen ausgerechnet am Montag demonstrierten. Nun haben aber die Montagsdemonstrationen in Ostdeutschland einmal geholfen, und warum sollten sie das jetzt nicht auch? Obwohl sich die Haare des Herrn Merz aus Protest sträubten, sagte ausgerechnet Herr von Ditfurth: »Die Montagsdemonstrationen sind das klassische Mittel im Osten, sich zu artikulieren, und in sofern auch richtig.« Laut Herrn Merz ist »staatliche Arbeitsverwaltung nicht Lösung, sondern Teil des Problems.« Nur: hat es da nicht einst einen deutschen Staat gegeben, der die Arbeit verwaltete und in dem es keine Arbeitslosigkeit gab? Was sonst noch gesprochen wurde kann man vergessen; höchstens, dass es die Leute noch mehr verwirrte. Der stern-Publizist Hans-Ulrich Jörges ist alarmiert, weil nur noch zwölf Prozent der Deutschen vorbehaltlos den Parteien vertrauen. »Hartz IV ist nur der Katalysator bei der Entladung dieser Stimmung«, stellt er fest und warnt im jüngsten stern in seinem Zwischenruf »Weimar leuchtet« vor einer Wiederholung der Geschichte. Die sozialdemokratischen Genossen sehen ihre Felle davonschwimmen und suchen die Schuld überall, nur nicht bei sich. Einen Sündenbock haben sie längst: Oskar Lafontaine. Es scheint aber auch noch andere zu geben, denn Otmar Schreiner, Mitglied des SPD-Parteivorstandes, bürstet in einem Interview mit Spiegel online die Behauptung des SPD-Chefs Müntefering, »der Großteil der Menschen werde nach den Reformen besser gestellt sein«, trocken ab: »Unfug.« Schreiner ist nach wie vor für eine Kursänderung der SPD, denn auf den Regionalkonferenzen und beim Sonderparteitag »kamen die Mehrheiten nur wegen der Rücktrittsdrohungen des Kanzlers zustande.« Auch die SPD-Vorzeigedame Andrea Nahles ist in einem Interview mit dem neuesten Spiegel der strolchigen Meinung, »wir müssen wieder deutlich machen, wofür die SPD steht«, und sieht im Fehlen des Konzeptes der Förderung von Arbeitsuchenden »vor allem ein Versäumnis Wolfgang Clements«. Nur ist das mit dem »deutlich machen« so eine Sache bei der SPD, und es wäre ja auch nicht das erste Mal in der Geschichte, dass sie das nicht weiß. Da helfen auch die Eier nichts, mit denen man in Wittenberge nach dem Kanzler warf . Der Politologe Prof. Lösche erklärte allerdings in der Berliner Phoenix-Runde vom Mittwoch, er habe die Eier gezählt und sei nur auf ein einziges gekommen. Auch jüngst in Finsterwalde war es nur eins. Trotzdem solle man so etwas nicht tun.Jeweils ein ein...

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