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Die Gier der Auktionshäuser

  • Lesedauer: 3 Min.

Doch nicht nur im Untergrund boomt der Schmuggel. Auch an der Oberfläche verliert das schillernde Geschäft mit Antiquitäten oft seinen Glanz. Helena Koenigsmarkova, Direktorin des Prager Kunstgewerblichen Museums, bekennt eine gewisse Skepsis für die etablierten Auktionshäuser in der tschechischen Hauptstadt: „Fast alle hängen da mit drinnen. Geschäft ist Geschäft“

Denn renommierte Kunsthändler wie die Prager Filiale des auf Zentraleuropa spezialisierten Wiener Auktionshauses „Dorotheum“ oder die Dependance des Londoner Versteigerers „Sotheby's“ dürfen sich den freien Markt in Bustehrad nicht leisten: Sie müssen mit den strengen tschechischen Behörden kooperieren. Was nicht selten in ein „Fang mich und erwisch mich“-Spiel ausartet.

Seit das tschechische Parlament 1994 ein Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes ausarbeitete, werden die Kontrollen härter. Jedes antike Stück, das bei Auktionen versteigert werden soll oder in den Westen exportiert wird, muß vom zuständigen staatlichen Museum überprüft werden. Erst dann wird eine Ausfuhr bewilligt. Oder auch nicht. Die Tricks der Auktionshäuser allerdings erschweren den musealen Beamten oft die Arbeit: „Wenn es um ein großes Stück geht, schicken die einfach Photos her. Oder aber sie wenden den beliebten Stempel-Trick an: Mit simplen Imitationen des amtlichen Stempels werden oft Grenzbeamte ge-

täuscht“, weiß die Museumsdirektorin.

Doch wenn es nach dem Willen von Vera Sovajskova, Leiterin der Prager Filiale des „Dorotheums“, geht, gehörten die strengen Gesetze ebenfalls ins Reich der Vergangenheit: „Wir müssen für jedes Stück eine Ausfuhrbewilligung stellen. Das kostet Zeit und Geld.“ Besonders, weil das Prager „Dorotheum“ beinahe ausschließlich Zwischenmittler für den Export nach Österreich ist. Laufend inseriert Vera Sovajskova in tschechischen Tageszeitungen, daß das Dorotheum „antike Stücke in den Westen vermittelt“ Wie, wird nur selten hinterfragt. Museumsleiterin Koenigsmarkova deutet nur so viel an: „Wir haben derzeit sehr viele Probleme mit dem Dorotheum“ Besonders sakrale Kunst ist gefährdet. „Sie können in Süd-

böhmen Kirchen finden, in denen gerade noch der Altar steht. Der Rest wurde ausgeraubt.“

Konsequenterweise findet man auch in der Umgebung des Schwarzmarktes von Bustehrad keinen einzigen vollständigen Marienstock mehr! „Wenn die Räuber auf dem Schwarzmarkt kein Glück haben, verkaufen sie die Sachen einfach an die großen Auktionshäuser. Die fragen selten nach, woher die Dinge kommen“ Zwar müssen die etablierten Händler bei sakraler Kunst eine Verkaufsbewilligung vom Kulturministerium einholen, doch „was ist schon sakrale Kunst“, fragt Helena Koenigsmarkova. Madonnen mutieren in den Listen der Antiquitätenhändler zu „Frauenstatuen mit Kleinkind“. Heilige samt Heiligenschein werden zu „Männern mit Kranz“

Schwierig für die Gralshüter des Kulturerbes ist es auch, die Wege der Antiquitäten nachzuvollziehen. ^Zwischen den großen Auktionshäusern in Prag hat sich in den letzten Jahren ein Netzwerk gebildet. Das bestätigt auch die geschäftstüchtige Leiterin des „Dorotheums“ „Wenn Sotheby's keine Ausfuhrbewilligung bekommt, dann vermitteln die uns die Sachen. Wenn wir keine Ausfuhrbewilligung bekommen, geben wir die Stücke weiter an Antiqua Nova“ - ein Auktionshaus mit mehr als zweifelhaftem Ruf in der Branche.

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