nd-aktuell.de / 28.03.1996 / Kultur / Seite 12

Ich war Diener der Partei.. .

liert wurden. Wichtige Themen wie die Gespräche zwischen SED und SPD sowie die Zeit der Sprachlosigkeit des SED-Politbüros konnten nicht mehr detailliert beleuchtet werden. Was vorliegt, ist ein Fragment. Das Gespräch Axen-Neubert brach abrupt mit dem Tode des ehemaligen Politbüro-Mitgliedes ab.

Hermann Axen, aus einer jüdischen Familie stammend, die der „Endlösung“ der Nazis zum Opfer fiel, hatte einiges zu erzählen. Emigriert nach Frankreich, kam er in das Internierungslager Vernet und wurde nach dem Einmarsch der Wehrmacht von dort nach Auschwitz und dann nach Buchenwald verschleppt. Nach der Befreiung gehörte er zu jenen, die sich überzeugt für eine neue Gesellschaft im Osten Deutschlands einsetzten. 1949 wurde er Leiter der Abteilung Agitation und Propaganda, 1950 Mitglied des ZK, 1963 Kandidat und 1970 Mitglied des Politbüros der SED Von 1956 bis 1966 bekleidete er die Funktion des Chefredakteurs des Neuen Deutschland. Vergeblich blieb sein Bemühen, im Zentralorgan eine Humorseite zu etablieren.

Hermann Axen: Ich war Diener der Partei. Autobiographische Gespräche mit Harald Neubert, edition ost, Berlin 1996. 450 S., br., 29,80 DM.

Anschließend stieg Axen zum Sekretär im ZK für internationale Verbindungen auf. Im Ausland schätzte man ihn. Egon Bahr würdigte Axen 1991 in einem Interview mit dem Berliner Rundfunk, das im Anhang des Buches abgedruckt ist, als einen „feinfühligen, gebildeten, anständigen Menschen“, der „sich persönlich nicht schuldig gemacht hat.“ Axen sei laut Bahr „linientreu“ gewesen, „ohne auf sein eigenes Urteil zu verzichten“ (S.411)

In Redaktionskommissionen, die zentrale Dokumente der internationalen Arbeiterbewegung vorbereiteten, war Axen führend tätig. Er galt als „Präzeptor Germaniae“ So ist der Wert der Gespräche Neuberts mit Axen vor allem in der Beschreibung von Vorbereitung und Verlauf der Moskauer Beratungen von 1957, 1960 und 1969, der Ereignisse 1968 in der CSSR, der Brandt-Stoph-Gespräche 1970 in Erfurt und

Kassel sowie der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR Anfang der 70er Jahre zu sehen.

Die 57er Beratungen hatten zur Verabschiedung von Dogmen über die „Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution“ geführt, die in der DDR bis 1989 maßlos-penetrant strapaziert wurden. Im Rückblick meint Axen zu diesen „Gesetzmäßigkeiten“ „Sie sind zu wenig elastisch und dialektisch formuliert. Sie waren in ihrer Verbindlichkeit und beanspruchten Allgemeingültigkeit zu wenig offen für neue, andersartige Erfahrungen... Vielleicht war sogar der Begriff Gesetzmäßigkeiten falsch gewählt.“ (S.188/189)

Angesprochen wird auch die Definition des „Charakters der Epoche“ durch die 60er Beratung. Die Potenzen des Sozialismus seien maßlos überschätzt worden, das Modernisierungspotential der „westlichen Welt“ hingegen unterschätzt, so Axen. Illusionär wäre auch die Hoffnung gewesen, die von nationaler Unterdrükkung befreiten Länder würden schnurstracks zum Sozialismus übergehen.