Gestapo-Spitzeln keine Chance gegeben

Gertrud Rosenmeyer und der Berliner Widerstand

  • Rainer Sandvoss
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter den im Widerstand 1933 bis 1945 in Berlin profilierten Arbeiterfunktionären zählen Robert Uhrig und Anton Saefkow zu den Persönlichkeiten, deren Namen noch halbwegs bekannt sein dürften - aber Gertrud Rosenmeyer? Im Gegensatz zu den genannten Männern, beide Jahrgang 1903 und vor 60 Jahren, am 21. August (Uhrig) bzw. 18. September 1944 (Saefkow) hingerichtet, hat sie die Jahre der Verfolgung überlebt und war keine zentrale Funktionärin des Berliner kommunistischen Widerstandes. Doch im Südosten der Stadt (Neukölln, Tempelhof) besaß sie einen gewissen politischen Einfluss, war ein Mensch ganz eigener Prägung und hat es verdient, dass man sich an sie erinnert. Geboren am 19. Oktober 1904 in Berlin, war sie schon früh in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung aktiv. Sie gehörte dem Deutschen Metallarbeiterverband (DMV), der Roten Hilfe und der KPD an und betätigte sich bevorzugt im traditionell linken Bezirk Neukölln, wo sie für ihre Partei auch Mitglied der Bezirksversammlung (der heutigen Bezirksverordnetenversammlung) war. 1933 ging sie wie ihr Lebensgefährte Willi Kling in den Widerstand und wurde schließlich 1934/35 Mitglied der Unterbezirksleitung der illegalen Neuköllner KPD. Gerade weil es in Neukölln auch leichtfertige Heißsporne und zahlreiche »Überläufer« zu den Nazis - meist aus den Reihen des Roten Frontkämpferbundes, weniger aus der geschulten Facharbeiterschaft - gab, sticht Gertrud Rosenmeyer durch ihre Umsicht, Klugheit und ihr Verantwortungsbewusstsein hervor. 1935 festgenommen, musste sie wieder freigelassen werden, da man ihr nichts nachweisen konnte. Was natürlich auch das Verdienst ihrer Mitverschwörer war, vor allem Willi Klings (erst 1945 aus dem KZ befreit). Der Prozess gegen die Unterbezirksleitung erfasste tatsächlich nur die Spitze und führte zu keinen Massenprozessen wie etwa im Friedrichshain oder Prenzlauer Berg, wo Hunderte in Haft gerieten. Seit 1936 war Gertrud Rosenmeyer bei der Firma Eltron tätig, zunächst als Montiererin, dann als Prüferin. Den betrieblichen Widerstand unterstützte sie vor allem bei der Tempelhofer Firma Lorenz A.G., wo sie als Leiterin eines illegalen Kreises wirkte. Wegen Verbindungen zu der von Robert Uhrig geprägten Widerstandsorganisation geriet sie bei deren Zerschlagung - zusammen mit ihrer ebenfalls oppositionellen Schwester Anna Rathmann - 1942 erneut in Haft, kam aber nach wenigen Wochen wieder frei. Als Anton Saefkow sich zusammen mit Fritz Jacob 1943/44 um die Reorganisation der illegalen KPD in Berlin-Brandenburg bemühte, nahm er auch Kontakt zu Neuköllner Antifaschisten um Gertrud Rosenmeyer auf. Ihr waren jedoch unkonspirative Arbeitsmethoden suspekt, sie lehnte die Anbindung ab. Wie bereits beim Kreis um Robert Uhrig konnten auch bei dem um Anton Saefkow Gestapo-Lockspitzel durchsetzen, dass Namenslisten von oppositionellen Genossen angelegt wurden. Es ist sicher keine haltlose Spekulation, zu sagen, dass der Arbeiterwiderstand in Berlin weit weniger Opfer gekostet hätte, wären die konspirativen Prinzipien einer Gertrud Rosenmeyer zum Tragen gekommen. Die Neuköllnerin unterstützte bis zuletzt »Untergetauchte« und hatte Verbindung zum illegalen Kreis um Hans Beyermann, Bernhard Karl und Gerhard Sredzki, die im April 1945 Berliner mit zahlreichen Flugschriften dazu aufriefen, den NS-Durchhalteparolen nicht länger zu folgen, sondern den sinnlosen Kampf zu beenden. Nach dem Krieg war Gertrud Rosenmeyer Jahrzehnte gesundheitlich sehr angeschlagen, wirkte als KPD-Vorsitzende von Neukölln, bzw. 1. Sekretärin der SED in Lichtenberg; von 1954 bis 1959 leitete sie das Stadtarchiv. Ob sie Ulbrichts Anweisungen willenlos folgte, entzieht sich meiner Kenntnis. Doch es fällt auf, dass sie sich 1951 intern dagegen aussprach, ihrem politischen Gegner, dem Lichtenberger SPD-Vorsitzenden Rudolf Müller, aus »Revanchegründen« den NS-Verfolgtenstatus abzuerkennen. Und es zeichnet die bescheidene Frau aus, dass sie zumindest in eigener Sache die soziale Privilegierung der gehobenen Parteifunktionäre ablehnte und eine ihr zustehende Zusatzrente mit dem Hinweis auf ihr ausreichendes Einkommen zurückwies. Ihr Engagement im Widerstand blieb für sie zeitlebens eine Selbstverständlichkeit und wurde nie wie eine Monstranz hervorgekehrt. Gertrud Rosenmeyer verstarb am 17. September 1982; sie ist in Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt.
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