nd-aktuell.de / 28.06.1996 / Politik / Seite 2

Der Solist

Gulbuddin Hekmatyar,

hat wieder einmal die Verbündeten gewechselt. Unter seinem bisherigen Erzfeind ist er jetzt Ministerpräsident des Islamischen Staates Afghanistan.

Foto: AP

Nicht auf einem weißen Pferd, wie er es immer wollte, sondern prosaisch mit einem Autokonvoi zog er in Kabul ein: Gulbuddin Hekmatyar, der »Amir« der Islamischen Partei Afghanistans. Am Mitt-

woch wurde er nach der Aussöhnung mit seinem Erzrivalen Burhanuddin Rabbani in der afghanischen Hauptstadt Kabul als Ministerpräsident vereidigt.

Dieses Amt hat der 46jährige Studienabbrecher der Universität Kabul nicht zum ersten Mal inne. Bereits 1992, nach dem Sturz des Präsidenten Najibullah, war er Premier in einer Beinahe-Allparteienregierung der Mujaheddin. Aber die Truppen des zum Staatschef aufgestiegenen Rabbani sorgten dafür, daß Hekmatyar Kabul nicht betreten konnte. Ende 1993 trat er frustriert zurück und löste eine neue Runde im afghanischen Bürgerkrieg aus; rücksichtslos nahm er Kabul unter permanentes Raketenfeuer. Aber das Kriegsglück war ihm nicht hold, und sein bisheriger Hauptsponsor Pakistan ließ ihn wegen chronischer Erfolglosigkeit fallen. Ende 1995 gaben ihm die Taleban den Rest. Seitdem muß Hekmatyar verhandeln.

Ein tiefer Fall für den Mitbegründer der islamistischen Bewegung Afghanistans. Schon vor dem sowjetischen Einmarsch war er in zwei Putschversuche verwickelt, landete hinter Gittern und

dann im Exil in Pakistan. Als die Sowjets kamen, wurde er zum Hauptempfänger der CIA-Milliarden, mit denen sie bekämpft wurden, denn seine Partei galt als die bestorganisierte Gegenkraft.

Viele Gerüchte um den redegewandten Paschtunen mit der sanften Stimme, der in seinen Gebieten öffentliches Musikmachen und Frauen das »ziellose Herumspazieren«, und das Wählen sowieso, untersagt hat: Früher sei er Kommunist gewesen, Agent des KGB oder der Pakistani oder beider. Doch Hekmatyar war immer nur sein eigener Agent auf dem unbeirrbaren Weg zur alleinigen Macht. Nur er würde den wahren islamischen Staat errichten.

Auch der Pakt mit Rabbani steht in dieser Tradition. Er ist ein reines Zweckbündnis gegen den stärksten Rivalen die Taleban, Pakistans neue Favoriten und dient kurzfristig beiden Seiten. Rabbani, von der UNO nicht anerkannt, verbreitert seine Basis, und Hekmatyar ist wieder im Rennen um die Macht. Mittelfristig bestehen beste Aussichten, daß die Brüder von heute wieder zu den Feinden von gestern werden. Thomas Ruttig