»Eklatante Ungleichbehandlung«

Heinrich Hannover über die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges

Dieser Tage wurde in Berlin eine Ausstellung über die Opfer der politischen Justiz während des Kalten Krieges in Westdeutschland eröffnet. ND sprach mit dem Bremer Rechtsanwalt Heinrich Hannover, der mehrere Bücher über die deutsche Justizgeschichte verfasst hat und seit den 50er Jahren immer wieder Linke vor Gericht verteidigte - auch in der Bundesrepublik verfolgte Kommunisten.

ND: Ist es 15 Jahre nach dem Ende der Blockauseinandersetzung nicht etwas spät, an die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges im Westen zu erinnern?
Hannover: Das Erinnern hätte schon viel früher stattfinden müssen. Es wäre sicher gut gewesen, wenn die Öffentlichkeit dieses Justizunrecht zu einer Zeit begriffen hätten, wo noch viel mehr der zu Unrecht verurteilten Menschen lebten. Für die meisten ist es jetzt zu spät.

Warum hat man sich des Themas nicht schön früher angenommen?
Das hat sicher vielfältige Gründe. So gibt es eine herrschende Medienmacht, die Informationen über Verfolgungen in der Bundesrepublik einfach nicht zugänglich machte. Die hatte es nach den herrschenden Medien nur in der DDR zu geben.

Wäre nicht nach der Wiedervereinigung, als so viel über politische Verfolgung in der DDR geredet wurde, der richtige Zeitpunkt gewesen, auch die politischen Verfolgungen in Westdeutschland zu thematisieren?
Es wäre vielleicht die Aufgabe der DDR-Bevölkerung gewesen, sich zu diesem Zeitpunkt kollektiv zu Wort zu melden und sich der offiziellen Lesart zu widersetzen, dass die DDR einseitig als der Staat, der die Freiheit verletzt, und die BRD als Hort der Freiheit dargestellt wurden. Doch auch in der DDR haben bekanntlich die westlichen Medien ganz schnell Fuß gefasst und ihren Einfluss auf die Menschen ausgeübt.

Aber es hat doch zumindest Versuche gegeben, auch die Verfolgungen von Oppositionellen im Westen zu thematisieren.
Menschen, die wussten, was zu Zeiten des Kalten Krieges an Justizunrecht auf beiden Seiten geschehen ist, haben versucht, ihr Wissen zu veröffentlichen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Buch »Verlorene Prozesse« des ostdeutschen Rechtsanwaltes Friedrich Wolff verweisen. Allerdings haben diese Versuche in der Öffentlichkeit wenig Widerhall gefunden. Ich freue mich daher besonders, dass jetzt in Berlin erstmals in einem gewerkschaftseigenen Gebäude das Justizunrecht in der BRD dokumentiert wurde.

Sehen Sie zwischen der rot-grünen Regierung und der konservativen Opposition Unterschiede im Umgang mit den Opfern des Kalten Krieges?
Es gab partielle Unterschiede. So haben CDU und CSU vor der Wiedervereinigung einen Gesetzentwurf zur Amnestierung von Geheimdienstleuten auf beiden Seiten eingebracht. Die SPD hat von einer Stasi-Amnestie gesprochen. Daraufhin haben CDU und CSU den Gesetzentwurf sofort zurückzogen. In der Folge kam es zu einer eklatanten Ungleichbehandlung. Ostdeutsche Spione wurden bestraft und westdeutsche wurden straflos gelassen.

Hat die Forderung nach Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges noch eine Chance?
Die PDS hat im Bundestag konkrete Gesetzesvorschläge vorgelegt. Die wurden allerdings von den anderen Fraktionen hohnlachend abgewiesen. Die Umsetzung dieser Forderungen hätten erst eine realistische Chance, wenn sich in der Bevölkerung ein größeres Geschichtsbewusstsein entwickeln würde. Die meisten Menschen in Deutschland wissen über die Verfolgungen in der Zeit des Kalten Krieges einfach nichts.

Fragen: Peter Nowak

Von 1951 bis 1968 wurde in der Bundesrepublik gegen Hunderttausende Menschen aus politischen Gründen ermittelt. Rund 10000 Betroffene wurden verurteilt - zu hohen Geld-, aber auch Gefängnis- und Zuchthausstrafen. Vorgeworfen wurden ihnen Funktionen in der KPD, der FDJ, in Friedenskomitees und linken Organisationen sowie Kontakte in die DDR. In den zuständigen politischen Sonderstrafkammern saßen nicht wenige frühere NS-Juristen. Die Opfer der Justiz des Kalten Krieges sind bis heute nicht rehabilitiert.

Die Ausstellung in der ver.di-Mediengalerie, Berlin, Dudenstr. 10, ist noch bis 17. Dezember jeweils Montag bis Donnerstag von 12 Uhr bis 19 Uhr geöffnet.
ND: Ist es 15 Jahre nach dem Ende der Blockauseinandersetzung nicht etwas spät, an die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges im Westen zu erinnern?
Hannover: Das Erinnern hätte schon viel früher stattfinden müssen. Es wäre sicher gut gewesen, wenn die Öffentlichkeit dieses Justizunrecht zu einer Zeit begriffen hätten, wo noch viel mehr der zu Unrecht verurteilten Menschen lebten. Für die meisten ist es jetzt zu spät.

Warum hat man sich des Themas nicht schön früher angenommen?
Das hat sicher vielfältige Gründe. So gibt es eine herrschende Medienmacht, die Informationen über Verfolgungen in der Bundesrepublik einfach nicht zugänglich machte. Die hatte es nach den herrschenden Medien nur in der DDR zu geben.

Wäre nicht nach der Wiedervereinigung, als so viel über politische Verfolgung in der DDR geredet wurde, der richtige Zeitpunkt gewesen, auch die politischen Verfolgungen in Westdeutschland zu thematisieren?
Es wäre vielleicht die Aufgabe der DDR-Bevölkerung gewesen, sich zu diesem Zeitpunkt kollektiv zu Wort zu melden und sich der offiziellen Lesart zu widersetzen, dass die DDR einseitig als der Staat, der die Freiheit verletzt, und die BRD als Hort der Freiheit dargestellt wurden. Doch auch in der DDR haben bekanntlich die westlichen Medien ganz schnell Fuß gefasst und ihren Einfluss auf die Menschen ausgeübt.

Aber es hat doch zumindest Versuche gegeben, auch die Verfolgungen von Oppositionellen im Westen zu thematisieren.
Menschen, die wussten, was zu Zeiten des Kalten Krieges an Justizunrecht auf beiden Seiten geschehen ist, haben versucht, ihr Wissen zu veröffentlichen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Buch »Verlorene Prozesse« des ostdeutschen Rechtsanwaltes Friedrich Wolff verweisen. Allerdings haben diese Versuche in der Öffentlichkeit wenig Widerhall gefunden. Ich freue mich daher besonders, dass jetzt in Berlin erstmals in einem gewerkschaftseigenen Gebäude das Justizunrecht in der BRD dokumentiert wurde.

Sehen Sie zwischen der rot-grünen Regierung und der konservativen Opposition Unterschiede im Umgang mit den Opfern des Kalten Krieges?
Es gab partielle Unterschiede. So haben CDU und CSU vor der Wiedervereinigung einen Gesetzentwurf zur Amnestierung von Geheimdienstleuten auf beiden Seiten eingebracht. Die SPD hat von einer Stasi-Amnestie gesprochen. Daraufhin haben CDU und CSU den Gesetzentwurf sofort zurückzogen. In der Folge kam es zu einer eklatanten Ungleichbehandlung. Ostdeutsche Spione wurden bestraft und westdeutsche wurden straflos gelassen.

Hat die Forderung nach Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges noch eine Chance?
Die PDS hat im Bundestag konkrete Gesetzesvorschläge vorgelegt. Die wurden allerdings von den anderen Fraktionen hohnlachend abgewiesen. Die Umsetzung dieser Forderungen hätten erst eine realistische Chance, wenn sich in der Bevölkerung ein größeres Geschichtsbewusstsein entwickeln würde. Die meisten Menschen in Deutschland wissen über die Verfolgungen in der Zeit des Kalten Krieges einfach nichts.

Fragen: Peter Nowak

Von 1951 bis 1968 wurde in der Bundesrepublik gegen Hunderttausende Menschen aus politischen Gründen ermittelt. Rund 10000 Betroffene wurden verurteilt - zu hohen Geld-, aber auch Gefängnis- und Zuchthausstrafen. Vorgeworfen wurden ihnen Funktionen in der KPD, der FDJ, in Friedenskomitees und linken Organisationen sowie Kontakte in die DDR. In den zuständigen politischen Sonderstrafkammern saßen nicht wenige frühere NS-Juristen. Die Opfer der Justiz des Kalten Krieges sind bis heute nicht rehabilitiert.

Die Ausstellung in der ver.di-Mediengalerie, Berlin, Dudenstr. 10, ist noch bis 17. Dezember jeweils Montag bis Donnerstag von 12 Uhr bis 19 Uhr geöffnet.

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