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  • CDU-Bundesparteitag in Düsseldorf

Die Gegenleistung der Zuwanderer

Leitkultur, Patriotismus und Sozialabbau prägten den CDU-Bundesparteitag/ Kampf gegen Multikulti wird als langfristiges Wahlkampfthema gegen Rot-Grün inszeniert

Multikulti hat abgewirtschaftet, stattdessen soll eine freiheitlich-demokratische Leitkultur auch bei Ausländern durchgesetzt werden - dieses Thema schlugen alle führenden Unionspolitiker auf dem Parteitag der CDU an. Damit will sie auch in den nächsten Bundestagswahlkampf ziehen.
Rot-Grün, sagt Laurenz Meyer genüsslich, habe ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Land. Der CDU-Generalsekretär, der das lockere Wort liebt und damit schon seine Parteichefin in ziemliche Verlegenheit brachte, ist in seinem Element. Aber hier kann er nichts falsch machen, hier geht es um den politischen Gegner, da kann er unbeschwert vom Leder ziehen. Wer wie der Bundeskanzler den 3. Oktober als Feiertag abschaffen wolle, wer wie der Grüne Christian Ströbele vorschlägt, einen islamischen Feiertag einzuführen, der schadet Deutschland. Und der Gipfel: Umweltminister Jürgen Trittin nenne sich in seinem Briefkopf »Mitglied des Bundestages«, nicht »Mitglied des Deutschen Bundestages«. Das Wort deutsch habe er gestrichen. Das ist natürlich kaum mehr als aufgeblasene Polemik, aber für Meyer sind diese Dinge symptomatisch: Solchen Leuten traut er weder zu, dass sie mit den wirtschaftlichen Problemen fertig werden, noch dass sie den Fragen von Zuwanderung und Integration von Ausländern gerecht werden. Genau damit befasst sich die Union derzeit ausgiebig. Erst kürzlich setzte sie das Thema auf die Tagesordnung des (selbstredend Deutschen) Bundestages, nun legte die CDU-Spitze dem Düsseldorfer Parteitag einen speziellen Antrag vor. Sein Titel ist Programm: »Im deutschen Interesse: Integration fördern und fordern, Islamismus bekämpfen!« Darin wird »jede Form von Abgrenzung, Diskriminierung und Gewalt und damit jede Form von Ausländerfeindlichkeit« abgelehnt. Andererseits werden in Deutschland lebende Ausländer aufgefordert, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, keine Parallelgesellschaften zu bilden und hier zu Lande »allgemein geteilte Grundwerte« wie Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, Freiheit sowie Gleichberechtigung von Mann und Frau zu akzeptieren. Muslimische Organisationen werden zu einer klaren Absage an jede Form des islamistischen Fundamentalismus aufgefordert. Das, was die CDU unter Islamismus versteht - eine totalitäre Ideologie -, will die Union hart bekämpfen und sich dabei als bessere Alternative gegenüber Rot-Grün darstellen. Wer »unsere Werteordnung« ablehne oder gar bekämpfe, für den sei kein Platz in diesem Land. Keine falsch verstandene Toleranz, heißt es im Vorstandsantrag. Die Linke in Deutschland befinde sich seit Jahrzehnten »auf dem Weg in das Niemandsland von Multikulti, weil sie aus der Nation aussteigen wollte«, sagt CSU-Chef Edmund Stoiber in seiner Gastrede, die sich zu mehr als der Hälfte mit diesem Thema befasst. Die Grünen, erklärt CDU-Generalsekretär Meyer, hätten sich »mit ihren Vorstellungen von multikultureller Demokratie verrannt«, eine ihrer Lebenslügen sei geplatzt. Abseits der ideologischen Schaukämpfe geht es auch um praktische Fragen. Die CDU-Führung fordert in ihrem Antrag, dass ausländische Kinder die deutsche Sprache sicher beherrschen müssen, bevor sie in die Schule kommen. Erwachsene Zuwanderer sollen zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet werden - neben der Sprache sollten hier Grundlagen der deutschen Verfassungs- und Rechtsordnung vermittelt werden. Ohne einen Nachweis darüber, so die CDU-Führung, dürfe es keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse mehr geben. Dem Bayern Stoiber reicht das freilich noch nicht - er sähe es wie auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch gern, dass Ausländer bei ihrer Einbürgerung aufs Grundgesetz schwören müssen. Womit von Ausländern mehr an Bekenntnis zu diesem Staat abverlangt würde als von jedem Deutschen, der seinen Personalausweis erhält. In Deutschland, so Stoiber, dürfe es keinen Platz geben »für Verbrechen und Terror, Hassprediger und Gewalt, Unterdrückung von Frauen und Mädchen«. Wer das nicht akzeptieren wolle, habe sich das falsche Land ausgesucht: »Unser Land verlangt als Gegenleistung von Zuwanderern den Willen zur Integration.« Gewissermaßen ein Musterbeispiel für Integration führte die CDU bei ihrer Vorstandswahl vor. Mit Emine Demirbüken-Wegner wurde eine türkischstämmige Frau in die Parteiführung gewählt, die 1961 geboren wurde und seit 1969 in Deutschland lebt. Inzwischen ist sie Ausländerbeauftragte in einem Berliner Bezirk. Als Unionspolitiker darüber nachdachten, eine Unterschriftenkampagne gegen den EU-Beitritt der Türkei zu organisieren, war sie dagegen. Sie empfindet kulturelle Vielfalt als Bereicherung für die Gesellschaft und rät jedem Menschen in Deutschland, unabhängig von seiner Herkunft »einen gesunden Patriotismus zu entwickeln«. Wegen ihrer Haltungen ist Emine Demirbüken-Wegner in der CDU nicht unumstritten. Aufregung gab es beispielsweise, als sie sich für Islamunterricht in deutscher Sprache an Schulen einsetzte. Heute steht so etwas im CDU-Vorstandsantrag: Wünschenswert wäre es, heißt es da, »dass islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen in deutscher Sprache und unter deutscher Schulaufsicht angeboten wird«.
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