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Blair ist keine Antwort

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 2 Min.

DerLabour-Sieg in Großbritannien ist so klar, das Echo (Gerhard Schröder ist dafür das vorhersehbare Beispiel) so groß, daß sich die Frage stellt. Kann und soll sich die deutsche Linke davon inspirieren lassen?

Ein wohlwollender und zugleich nüchterner Blick führt zu dem Schluß: in Fragen des Stils ist Blair (und sein Wahlkampf) eine Anregung, in der Substanz eher Abschreckung für linke Politik.

Die Handlungsentschiedenheit und Wahlkampfgeschlossenheit von New Labour, die Begeisterungsfähigkeit ihrer (vielen jungen) Aktivisten und der Optimismus, der im schroffen Gegensatz zur Larmoyanz und den üblichen, aber weltund wählerfremden »Alles-oder-nichts«-Forderungen vieler Linker hierzulande stehen, gehören zu den Anregungen. Sie haben auch mit größerem Pragmatismus und geringerer Verbissenheit zu tun.

Inhaltlich kann man nicht oft genug unterstreichen, daß New Labour mit ganz begrenzten Versprechen (geringere Klassenstärken in Grundschulen, schnellere Bestrafung für junge Kriminelle, Arbeitsbeschaffungshilfen für 250 000 junge Langzeitarbeitslose, Stärkung der Selbstverwaltung für Schottland und Wales) in die Wahlen zog und dafür ein klares Mandat erhalten hat. Kein Sozialismus, egal welcher Art, wurde verheißen.

New Labour hat die unter Frau Thatcher stark veränderte britische Gesellschaft weithin akzeptiert. Im Interesse der »kleinen Leute« will Blair die Gesellschaft modifizieren, nicht revolutionieren. Durch moderatere und insofern modernisierte Fortschreibung setzt er dem Thatcherismus letztlich die Krone auf. Die Gelassenheit, ja Zufriedenheit, mit der die Finanz- und Geschäftswelt in Britannien und Deutschland auf den Sieg Blairs reagiert, ist dafür ein Beleg.

Fürs erste mag New Labour eine Option für Britannien sein. Eine Antwort für Deutschlands Linke, in der Männer wie Bisky, Gysi oder Lafontaine beträchtliches Interesse und große Vorbehalte gegenüber Blair offenbaren, ist sie nicht. Eher Anschauung für das Bonmot eines irischen Freundes: »Nur die Engländer bringen es fertig, ein Einparteien-System mit zwei Parteien zu schaffen.« In einem Punkt irrt freilich auch der Ire: in den USA gibt's das seit langem.

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