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Öl ins Feuer

  • Marion Pietrzo
  • Lesedauer: 2 Min.

Eine Dokumentation »Das Jüdische Museum im Stadtmuseum Berlin« wurde am Freitag der Presse vorgestellt. Erschienen im Nicolai Verlag, erarbeitet von Martina Weinland und Kurt Winkler, initiiert vom »Verein der Freunde und Förderer des Stadtmuseums in Berlin«. Mit dem 460-Seiten-Buch, in dem 86 Dokumente aus einem anderthalb Meter hohen Aktenberg publiziert sind, wolle man zur »Versachlichung der Diskussion« um das Jüdische Museum beitragen, die Öffentlichkeit solle sich selbst ein Bild machen können von -ja, wovon? Der Streit um das Jüdische Museum ist vor kurzem derart eskaliert, daß die Jüdische Gemeinde in Berlin erklärte, sich nicht mehr an der Gestaltung des Museums zu beteiligen. Auch der Architekt Daniel Libeskind steht nicht mehr zur Verfügung. Unmittelbarer Anlaß: In

einer neuen Verordnung zur Verwaltungssatzung ist festgeschrieben, was peu ä peu schon eingeführt war: Seit die Stiftung Stadtmuseum Berlin gegründet worden ist, hat das dadurch zur Hauptabteilung herabgestufte Jüdische Museum keine Autonomie mehr, die sich nicht zuletzt in einem eigenen Etat ausdrücken würde. Auch über das inhaltliche Konzept gibt es keinen Konsens. Kein Wunder: Die Gründung der Stiftung vor knapp zwei Jahren war eher eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für stellungslos gewordene Senatsbeamte denn ökonomisches oder verwaltungstechnisches Erfordernis. Sie schaffte das Zementfundament für den Sieg von Behördenlogik über jegliche kulturhistorische und künstlerische Idee und den Nährboden für den Verdacht, Berlin wolle gar kein Jüdisches Museum, wolle jüdische auf Stadtgeschichte reduzieren.

Inzwischen müßte klar sein: Wenn Ende 1998 der von Daniel Libeskind ent-

worfene Neubau in der Lindenstraße in Berlin-Kreuzberg eröffnet wird, darf das Jüdische Museum nicht zur »ethnisch-religiösen Unterabteilung im Untergeschoß des Berliner Stadtmuseums degradiert« sein, wie Direktor Amnon Barzel vor einem Dreivierteljahr die skandalöse Posse des Berliner Bürokratenfilzes charakterisierte. Wenn auch die Herausgeber mit ihrer Dokumentensammlung bezwecken, aus der Konfrontation heraus und in den Dialog einzutreten, dann ist - ehrenwerte Absicht unterstellt -, dennoch zu fragen, ob damit nicht vielmehr Öl ins Feuer gegossen wurde, als daß Gräben zugeschüttet worden wären. Denn auch eine Sammlung von Fakten, ihre Auswahl widerspiegelt Subjektivität, ebenso der Zeitpunkt ihres Erscheinens. - Das Bild, das sich die Öffentlichkeit nun anhand der Texte machen kann, ist das unbewältigter deutscher Geschichte.

Marion Pietrzok

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