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  • Politik
  • Uwe Scholz kreierte die zehnte Ballettpremiere in seinem fünften Leipziger Jahr

Grafische Choreographien

  • Günter Görtz
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Uwe Scholz vor fünf Jahren die Geschicke des Leipziger Balletts in die Hände nahm, hat sich der Ruf dieser Compagnie, eine Stätte der Pflege des klassischen Balletts zu sein, kontinuierlich gefestigt. Zwar bestimmen nicht die überlieferten Klassiker das Repertoire, doch ist der Stil der Truppe eindeutig diesen Traditionen verpflichtet. Und Scholz hat ein Ensemble entwickelt, das bereits zu erstaunlicher Homogenität auf hohem technischem Niveau gefunden hat. Wenn man auch bedauernd anmerken kann, daß echte tänzerische Novitäten, im Sinne der Eroberung neuer Ausdrucksbereiche, sich sehr in Grenzen halten. Eine Werbung für die Ballettkunst ist es jedoch allemal. So war denn auch der Abend ein vom Publikum mit viel Beifall bedachtes Kunstereignis im Leipziger Opernhaus.

»Klassisch. Sinfonisch« ging es zu. Sergej Prokofjews »Klassische Sinfonie« war ein schön anzusehender, humoriger Auftakt - die einzige Uraufführung des

Abends. Der Komponist spielt in diesem Stück bekanntlich mit den Formen der klassischen Musik, setzt sich damit auf heitere Weise auseinander. Scholz nimmt das in seiner Choreographie auf.'?'Wiederholt treten die Tänzer aus ihren klassischen Exerzitien heraus. Das alles geschieht tänzerisch auf hohem Niveau. Direkte Brüche provoziert Scholz nicht. Er zeigt in seinem gesamten Bewegungsduktus, wie die Musik in die Körper der Tänzer fährt und sich auf diese Weise visualisiert. Das hat enormen ästhetischen Reiz. Zumal das Orchester unter der Leitung-von Johannes Wildner sich durchaus nicht mit der Rolle eines Tanzbegleiters begnügt, sondern im Rahmen der notwendigen Kompromisse, die der Tanz erfordert, eigenes musikalisches Profil entwickelt. Wie Scholz den Wechsel zwischen Soli und Gruppe choreographierte, korrespondiert wunderschön mit der musikalischen Vorlage, ohne einfach nur Nachlauf der Komposition zu sein. Das ist eine Spezialität des Choreographen. Trotzdem wünscht man sich aus seiner Feder auch mal ein abendfüllendes Handlungsballett, und der weiteren Ent-

wicklung seines Ensembles wäre das auch von Nutzen.

Und musikalisch hochkarätig ging es mit Rachmaninows Suite für zwei Klaviere weiter. Mit Wolfgang Manz und Julia Goldstein Manz standen zwei exzellente Pianisten zur Verfügung. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, daß Intendant Udo Zimmermann das Ballett als eigenständige künstlerische Ausdrucksform und nicht als zu vernachlässigende Krücke des Opernbetriebes ansieht, die Ernsthaftigkeit, mit der die Ballettinszenierungen an diesem Hause auch musikalisch betreut werden, spricht für sich. Schade allerdings, daß die zwei Pianisten nur im Orchestergraben agilreri“ durften. Ihr Vortrag erhielt so etwas anonymes. Hätten sie sichtbar agieren dürfen, ihr Diolog mit den Tänzern wäre in der Wirkung noch intensiver gewesen. Auch bei diesem Ballett nutzte Scholz Bildprojektionen von Werken Kandinskys als Bühnendekoration: In diesem Falle vier Illustrationen aus »Punkt und Linie zu Fläche«. Das war frappierend. Manches wirkte wie die grafische Umsetzung choreographischer Notate.

Das Finale, Rachmaninows Klavierkonzert Nr.3, hinterließ bei mir tänzerisch den schwächsten Eindruck. Zwar arbeitet Scholz auch hier wieder geschickt mit der Raumaufteilung, und der pantomimische Auftakt mit Primaballerina Marina Otto, der das Stück zugeeignet ist, weckt auch Interesse, doch dann verliert sich das Tänzerische zu sehr in einem nicht unbedingt zwingenden Aktionismus. Aber das Publikum applaudierte seinem Ballett, dessen Zukunft nun doch gesichert scheint.

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