Verbote allein lösen das Problem nicht

SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz über den Umgang mit Rechtsradikalen

  • Lesedauer: 4 Min.
Dieter Wiefelspütz, Jahrgang 1946, ist promovierter Jurist, Richter a.D. und Rechtsanwalt. Seit 1987 sitzt er für die SPD im Bundestag und ist der innenpolitische Sprecher seiner Fraktion. Über den Umgang mit Rechtsradikalen, die Debatte um den erneuten Anlauf auf ein NPD-Verbot und die unter anderem von SPD-Bundesinnenminister Otto Schily geforderte Änderung des Versammlungsrechts sprach Markus Bernhardt mit ihm.
ND: Nach dem letzten NPD-Skandal im sächsischen Landtag haben Sie die Bevölkerung zum Widerstand gegen Neonazis aufgerufen. Was genau meinen Sie damit?
Wiefelspütz: Ich halte die NPD für verfassungsfeindlich, für offen rassistisch, für antisemitisch und für verbotswürdig. Ich glaube aber, dass diese Partei nicht in erster Linie juristisch bekämpft werden kann. Nur eine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung kann die NPD erfolgreich bekämpfen. Ich muss freimütig sagen, mir reichen die Aktivitäten dieser Rattenfänger mittlerweile. Auch ganz emotional und persönlich. Daher bin ich der Meinung, dass die Menschen in Sachsen friedlich, aber energisch deutlich machen sollten, dass braune Hetze welcher Art auch immer in Deutschland nicht erwünscht ist.

In manchen Kommunen übernehmen die Neonazis mittlerweile soziale Aufgaben. So bieten manche NPD-Kreisverbände Mieterberatungen und Freizeitaktivitäten für Jugendliche an. Haben die etablierten Parteien versagt?
Sicherlich ist es manchmal so, dass wir erst dann wirklich reagieren, wenn das Maß voll ist. Trotzdem möchte ich jetzt nach vorne schauen. Wir haben innerhalb der SPD-Führung intensiv darüber beraten, wie wir mit dem erstarkenden Neofaschismus umgehen sollen und sind zu dem Schluss gekommen, dass dieses Thema einer unserer Schwerpunkte in der kommenden Zeit sein wird. Auch räume ich ein, dass es uns beispielsweise gelingen muss, jungen Menschen wieder eine Perspektive zu geben.

Der letzte Antrag auf ein Verbot der NPD ist gescheitert. Wagen Sie einen neuen Anlauf?
Ich kann nicht ausschließen, dass Teile der Gründe, die zur Ablehnung des beantragten Verbots führten, selbst verschuldet waren. Ich halte das damalige Urteil des Bundesverfassungsgerichts trotzdem für ein Fehlurteil. Ein neues Verbotsverfahren hat jedoch nicht den Hauch einer Chance.

Weil die V-Leute des Verfassungsschutzes immer noch kräftig im braunen Sumpf mitmischen?
Nein, weil die Hürden für ein Verbot sehr hoch angesetzt sind. Selbstverständlich wird die NPD weiter von den zuständigen Behörden beobachtet, ob aber in der Partei V-Leute tätig sind, weiß ich definitiv persönlich nicht. Wer glaubt, einzig durch ein neues Verbotsverfahren oder die Änderung des Versammlungsrechts das Problem des erstarkenden Rechtsextremismus zu beheben, ist auf dem völlig falschen Dampfer.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) fordert aber eine Änderung des Versammlungsrechts.
Der Innenminister ist ja kein Gesetzgeber. Das sind immer noch wir Parlamentarier und ich lasse mir diese Verantwortung auch nicht nehmen. Richtig ist jedoch, dass das Versammlungsgesetz modernisiert und aktualisiert werden sollte. Ich kann mir vorstellen, dass es hilfreich sein könnte, befriedete Bezirke, beispielsweise am Holocaust-Mahnmal, zu schaffen, an denen das Demonstrationsrecht eingeschränkt werden kann. Welchen Sinn es aber machen soll, die Glorifizierung oder Verharmlosung der NS-Diktatur zum Grund für eine Veränderung des Versammlungsrechts zu machen, ist mir schleierhaft. Solche Verharmlosung zu verbieten, ist auch jetzt schon möglich.

Die PDS hat eine »Antifaschistische Klausel« für das Grundgesetz gefordert, damit die Wiederbelebung von nationalsozialistischem Gedankengut für verfassungswidrig erklärt werden kann. Teilen Sie diesen Vorstoß?
Das habe ich immer abgelehnt, weil das Fundament des Grundgesetzes aus der strikten Abgrenzung zur NS-Diktatur besteht. Deswegen brauchen wir keine antifaschistische Klausel. Dieser Vorschlag ist bestenfalls gut gemeint und wirkt eher hilflos. Man würde das Grundgesetz beschädigen, wenn man den Nazis die Ehre zukommen lassen würde, im Grundgesetz Erwähnung zu finden.

Vertreter von CDU und CSU haben in der jüngsten Vergangenheit mit heftig kritisierten Äußerungen für Aufsehen gesorgt. Der neue CDU-Generalsekretär Volker Kauder verglich das geplante Antidiskriminierungsgesetz mit der Rassenpolitik der Nazis, die Junge Union Wismar-Nordwestmecklenburg lud den durch antisemitische Äußerungen bekannt gewordenen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann ein und CSU-Generalsekretär Markus Söder forderte von den Deutschen mehr »Heimatliebe«. Öffnet die Union der NPD damit nicht Tür und Tor?
Man kann auch einmal richtig in die Scheiße treten und genau das hat Herr Kauder hier gemacht. Seine Äußerungen sind so geschmacklos, dass er sich dafür entschuldigen sollte. Die gute Frau Merkel hat zudem Grund genug, in ihrer Partei für Ordnung zu sorgen. Die Union sollte in ihrem eigenen Interesse sehr genau klären, wo bei ihr der rechte Rand ist. Heimatliebe hat aber nichts mit Rechtsextremismus zu tun.
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