Maffays Brücke zu den Fans

»Man muss nur die Augen offen halten und mehr zusammenstehen«

  • Lesedauer: 9 Min.
Peter Maffay (55) ist Deutschlands erfolgreichster Musiker. Seit über drei Jahrzehnten steht er auf der Bühne und hat 35 Millionen Platten verkauft. Nach dem Rockmärchen »Tabaluga und das verschenkte Glück« (2004) meldete er sich nun mit dem Doppelalbum »Laut & Leise« zurück. Fragen an Peter Maffay stellte Olaf Neumann.


ND: Die Idee, das neue Rockalbum in zwei Hälften - eine laute und eine leise - zu teilen, ging ursprünglich von den Fans aus. Nehmen Sie sich deren Urteil mehr zu Herzen als das der Kritiker?

Im Laufe der Jahre haben sich unter meinen Fans zwei Gruppen gebildet, die einen waren lauter, die anderen halt ein bisschen leiser. Die Frage, das zu trennen, stellte sich öfter, aber richtig getraut haben wir uns das bisher nie. Bis wir diesmal stolze 18 neue Songs zusammen hatten. Bei solch einer Menge kann man musikalisch weiter ausholen und Dinge tun, die für unsere Verhältnisse extremer sind. Schon während der Konzeption des Albums zerbrachen wir uns darüber den Kopf, wie man das Ganze am besten auf der Bühne präsentiert.

Nicht nur als Gründer der Tabaluga-Stiftung beziehen Sie gesellschaftlich Position, auch in Ihren Liedern kritisieren Sie mediale Verwerfungen. Der neue Titel »Die Hölle ist hier« ist ein Abgesang auf das Fernsehen, das keine Moral mehr kennt. Ist in dem Medium noch Platz für einen Moralisten wie Peter Maffay?

Das geht ja nicht nur mir so. Aber Gott sei Dank trifft man die Moralisten immer noch. Für mich ist dieser Begriff nicht negativ besetzt. Es ist sehr wichtig, dass wir uns darüber im Klaren werden, was alles im Namen des Wortes verbrochen wird. Die Art und Weise, wie wir verbal miteinander umgehen, trägt erheblich dazu bei, dass unsere Gesellschaft immer mehr auseinander driftet. Nicht nur das Fernsehen, die Medien schlechthin seien hier angesprochen. Die Verletzungen, die mit Worten gemacht werden, sind inzwischen so alltäglich, dass davon nichts mehr geahndet wird. Die nächste Stufe ist dann physische Gewalt. Die Eskalation resultiert vor allem aus der Unkenntnis voneinander, man nimmt sich nicht wahr, man respektiert sich nicht, man macht sich gegenseitig nieder. Die Schnelllebigkeit unserer Zeit fördert das alles nur noch.

Ist die Verrohung der Sitten vor allem ein Zeichen unserer Zeit?

Das alles gab es auch früher schon. Aber die Entwicklung in der Medienlandschaft und die Geschwindigkeit in der Gesellschaft haben heute immens zugenommen. Ich will aber gar nicht moralisierend sein, das steht mir auch nicht zu. Es ist einfach eine Beobachtung als Musiker im Umgang mit Menschen. Dabei stelle ich fest: Man kann so nicht miteinander umgehen. Nicht im Bundestag, nicht auf der Straße, nicht in der Schule. Wenn wir Erwachsenen das nicht vorleben, wo sollen die Kids denn dann den vernünftigen Umgang miteinander lernen?

Sind Sie mit dem Fernsehen so sehr über Kreuz, dass Sie dort gar nicht mehr auftreten wollen?

Das kann man nicht pauschalisieren. Das Fernsehen ist ja nur ein Element innerhalb der Medienlandschaft. Es gibt auch dort noch sehr eloquente und verantwortungsbewusste Redakteure und Journalisten. Das ist ja gerade die Chance, alles wieder in die richtige Bahn zu lenken. Man muss nur die Augen offen halten und mehr zusammenstehen. Es gibt ja genügend Aufklärung und Information und auch kluge Menschen. Wenn die sich einmal alle zusammentun würden, entstünde eine Menge Energie.

Zurück zur Musik: Neu im Boot ist der junge Hamburger Produzent und Musiker Peter Keller, bekannt durch seine Arbeit für Newcomer wie Motorsheep, Tief und Wunder. Ist Peter der direkte Draht zur jüngeren Generation?

Aber ja! Genauso wie mein neuer Produktionspartner Lukas Hilbert, der ja auch eigene Platten rausbringt, oder mein Toningenieur Peter Schmitz. Aus dieser nachwachsenden Musikergeneration bekomme ich derzeit viele Impulse.

»Wie kannst du schlafen« ist ein leidenschaftlicher Appell gegen Krieg und Gewalt.

Das Lied hat einige ganz konkrete Adressaten. Es sind immer die großen Entscheidungsträger, die Leute in Konflikte hineinstoßen, ob das nun auf ökonomischer oder politischer Ebene passiert. Wir fragen uns dann, wie diese Leute überhaupt eine Nacht friedvoll in ihrem Bett verbringen können. Wie wachen die morgens auf? Vielleicht mit der Zeitung in der Hand, um zu lesen, was sie gerade veranstaltet haben? Solche Töne gibt es aber nicht nur auf unserem Album, die sind auch in zunehmendem Maße bei jungen Bands zu hören. Die Summe all dieser kleinen Stiche ist meinungsbildend.

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»Laut & Leise« heißt das neue Doppelalbum von Peter Maffay. Mit markanter Stimme präsentiert der kleine Mann mit der großen Ausstrahlung Beziehungsgeschichten und Appelle an das politische Gewissen.
 
Stationen seiner Open Air-Tournee 2005:
26.5., Berlin, Kindl-Bühne Wuhlheide; 27.5., Gräfenhainichen, Das neue Ferropolis - Arena; 28.5., Vechta, Stoppelmarkt-Gelände; 29.5., Rostock, IGA Parkgelände; 3.6., Oberhof, Reinnsteigarena; 11.6., Wernesgrün, Wernesgrüner Brauerei

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Fühlen Sie sich politisch angehauchten Rockbands wie Blumfeld, Die Sterne oder Tocotronic nahe?

Ich komme mehr und mehr dazu. Im Moment scheint es, als würde Musik wieder transportfähig auch für politische Inhalte, wie wir es kennen aus den 60er Jahren. Wir haben in den letzten zwölf Monaten einen ziemlichen Umschwung erlebt. Mein Eindruck war lange, dass sich deutschsprachige Musik in vielen Rundfunkstationen nicht mehr niedergeschlagen hat. Es gab eine ziemlich eindeutige Haltung dagegen, begründet mit zum Teil unverständlichen Argumenten. Vor etwa einem Jahr habe ich mich dann gemeinsam mit Leuten wie Xavier Naidoo und Udo Lindenberg für eine Quote stark gemacht. Tatsächlich will niemand von uns wirklich diese Quote, wir halten es aber für nötig, die Positionen einmal aufzuweichen und die journalistische Vielfalt auf diese Weise ganz einfach zu erzwingen. Ein paar Monate nach unserem Zusammentreffen fand eine regelrechte Invasion von deutschsprachiger Rockmusikkultur statt. Ein Votum des Publikums im Übrigen, nicht unbedingt der Sender.

Sie leben abwechselnd in Tutzing am Starnberger See und auf einem Landgut in Polencca, Mallorca. Wie viel bekommen Sie tatsächlich von der Stimmung in Deutschland mit?

Wir präsentieren das neue Album ganz bewusst zuerst in Clubs und nicht auf Open-Air-Bühnen. Das, was wir gerade veranstalten, ist nicht nur eine Tour, sondern auch eine Tortur. Wir sind jeden Abend irgendwo anders und spielen nur das neue Album und nichts anderes. Was ein gewisses Risiko ist. Wenn man so was macht, dann sucht man gezielt die Nähe des Publikums und versucht, einen Dialog zu entfachen, um sich selber zu positionieren. Bis jetzt ist das großartig. Ich finde es auch sehr wichtig, sich einmal an die Zeiten zurückzuerinnern, als ich in solchen Clubs angefangen habe.

Ihre Mutter war Siebenbürgen-Deutsche, Ihr Vater Ungar. Die Familie bekam die Ausgrenzung in der Zeit des rumänischen Diktators Ceausescu zu spüren. Inwieweit prägt Sie die Vergangenheit noch heute?

Unsere Versuche, damals in der DDR zu spielen, hatten zum Beispiel sehr viel damit zu tun. Aus einem totalitären Regime auszubrechen bedeutete gleichzeitig auch eine Herausforderung, den Dialog nach dorthin irgendwie wieder zu suchen. Insbesondere vor dem Hintergrund der gemeinsamen Kultur und Sprache wollte ich Kontakt zu den Leuten in der DDR aufnehmen. Es hat ja auch funktioniert und ist bis heute lebendig geblieben. Mittlerweile ist eine Generation nachgewachsen, die sich nicht mehr erinnern kann, wie wir 1986 in Rostock gespielt haben, die auch die Mauer nicht mehr kennt. Für die 6000 Karten hatten sich damals 600 000 Menschen beworben. Aus diesen Anfängen sind viele Verbindungen entstanden, die auch heute noch sehr vital sind. Wenn wir in Leipzig oder in Dresden spielen, dann spürt man das. Die Erlebnisse meiner Familie in Rumänien waren praktisch der Motor von der ganzen Geschichte.

Darf man das Thema Patriotismus einzig und allein den Rechtsradikalen überlassen oder sollte man sich als Künstler endlich auch mal klar zu Deutschland bekennen? Deutschland als Instanz sozialer Sinnstiftung - wie stehen Sie dazu?

Vor einem Begriff wie Patriotismus sollten wir keine Angst haben und die Selbstsicherheit besitzen, damit entspannt umzugehen. Die Tatsache, Bürger eines Staates zu sein, mit den dazugehörigen Papieren und der Möglichkeit, sich innerhalb eines demokratischen Systems zu entfalten, darin zu leben mit allen Vor- und Nachteilen, kollidiert nicht mit dem Wort Patriotismus. Wenn man aus diesem Wort allerdings falsche Konsequenzen zieht, die mit der Demontage unseres Systems zu tun haben, wenn das zu einer Überhöhung führt und wir uns wieder über andere stellen, wie das mal in der Geschichte passiert ist, dann hat Patriotismus aber überhaupt keine Berechtigung. Man muss allem entgegenwirken, was in diese Einbahnstraße führt, gestrige Positionen wie Ausgrenzung, Diskriminierung, Gewalt sind immens gefährlich. Deshalb gilt es, ein Wort wie Patriotismus mit Bedacht zu benutzen. Durch unser korrektes Verhalten können wir ihm auch eine neue Bedeutung geben. Dann ist es legitim.

Auf der Platte »Begegnungen« haben Sie 1998 mit Künstlern aus Australien, Israel, Dänemark, Ägypten, Spanien, der Türkei, Rumänien, dem Kongo und den USA gearbeitet. Und die Reise soll weitergehen. Welche Leute werden Sie diesmal treffen?

Das weiß ich im Moment noch gar nicht, aber weil das Thema zeitlos ist, werde ich es ganz sicher noch einmal aufgreifen. Es gibt noch so viel spannende Musik, die auf der Welt gespielt wird, von der wir aber noch keine Ahnung haben. Über einen Freund bestehen zum Beispiel intensive Verbindungen zu den Navajo-Indianern in den USA. Vor Jahren konnte ich einen ihrer Häuptlinge kennen lernen und dabei viel über deren Situation erfahren. Die Navajos leben in ihren eigenen Reservaten, aber man drängt auch dort hinein, weil der Boden voller wertvoller Rohstoffe ist. Ich habe selber zwei Jahre in British-Columbia in Kanada gelebt. Da ist die Nähe zur Spiritualität der Indianer viel lebendiger. Damals war ich sogar so verrückt und ließ mir ein Tattoo mit einem Totem stechen. Die Indianer haben mich schon sehr angesprochen.

Club-Tournee 2005:
1.2., Offenbach, Capitol
2.2., Berlin, Columbiahalle
4.2., Dresden, Alter Schlachthof
5.2., Nürnberg, Löwensaal
6.2., München, Tonhalle
8.2., Zürich, Volkshaus
9.2., Bozen, Stadthalle

Open Air-Tournee 2005:
21.5., Bad Segeberg (Freilichtbühne) - auch 22.5.
25.5., Braunschweig 
01.6., Köln, Tanzbrunnen
02.6., Koblenz, Kurfürtsliches Schloss
04.6., Bayreuth, Hans-Walter-Wild-Stadion
05.6., Aschaffenburg, Schlossplatz
09.6., Augsburg, Messegelände
10.6., Baden-Baden, Rennplatz Iffezheim
12.6., Lindau, Strandbad Eichwald
18.6., Weilburg, Hessentag

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