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  • Politik
  • Klaus Störtebeker lehrt die Reichen auf Rügen wieder das Fürchten

Seeräuberstory mit Hintersinn

  • Jochen Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Held, der hier fünf Jahre lang im Mittelpunkt stand, der legendäre Likedeeler (Gleichteiler) Klaus Störtebeker (Norbert Braun), geht seinen letzten Gang. Und der führt ihn vor »Das Schwert des Henkers«. So jedenfalls der Titel der Geschichte, die Regisseur Roland Oehme auf der wunderschönen Naturbühne am Großen Jasmunder Bodden in Ralswiek (Rügen) in Szene setzte. Im fünften Jahr erfuhr die Geschichte einiges an dramatischer Zuspitzung, die der Publikumswirksamkeit sehr entgegenkommt.

Das Credo von Intendant Peter Hick, zeitbezogen, unterhaltsam aber auch bildend sein zu wollen, wurde mit der diesjährigen Inszenierung einmal mehr erfüllt. Dabei fehlen weder Action noch leise Töne. Wolfgang Dehler, der auch den Keno tom Broke spielt, spricht die Zwischentexte, die die Szenen verbinden, und weiß das zu einem besonderen Hörerlebnis zu gestalten.

Störtebeker, dessen Geschäfte um 1400 herum bestens florieren, heiratet Frauke (Maria-Anne Müller), die Tochter des Friesenhäuptlings Keno tom Broke. Für den ist diese Verbindung ein Gewinn, nicht aber für die Hanse. Hamburg rüstet daher also gegen die Likedeeler. Den holländischen Grafen Albrecht (Roland Seidler), dem Helgoland gehört, und der seine Insel durch die vermeintlichen Seeräuber bedroht sieht, gewinnen die Hamburger Pfeffersäcke als Verbündeten. Alles ist eben käuflich, wenn nur der Geldbeutel groß genug ist, heißt es in einem der Dialoge - das kennt man ja. Der Großinquisitor des Papstes segnet das Vorhaben dann sogar

Klaus Störtebeker wird vom Zweifel

an seinem Tun geplagt, doch Mitstreiter Goedeke Michels (Dietmar Lahaine) überredet ihn, das norwegische Handelskontor in Bergen zu überfallen. Nach der Rückkehr ist das friesische Marienhafe niedergebrannt, Keno blind und Frauke mit Sohn verschwunden. Störtebeker fühlt sich schuldig, trennt sich im Streit vom langjährigen Freund Goedeke und will das Piratenhandwerk aufgeben. Da taucht urplötzlich Frauke mit seinem Sohn wieder auf. Das Glück ist aber nur kurz, denn die Fallstricke sind längst gespannt, die Netze geknüpft, die Verräter, die den Vitalienbruder zur Strecke bringen sollen, bezahlt. So landet Gottes Freund und aller Welt Feind auf dem Schafott. Und die Zuschauer halten den Atem an, als auf dem Hamburger Grasbfook das Schwert des Scharfrichters den Likedeeler enthauptet.

»Das Elend dieser Welt, ist des Menschen Werk«, sind seine letzten Worte, die indes an Aktualität bis heute nichts verloren haben. Der Epilog mahnt dann auch: Mit Störtebeker und den Likedeelern sei mehr Gerechtigkeit in der Welt gewesen - wenn auch nur für einen Wimpernschlag der Geschichte.

Falk von Wangelin schuf ein optisch reizvolles Bühnenbild mit Stadtsilhouetten und Koggen. In diesem Jahr konnte das Ensemble neue Schiffe in Dienst stellen, so gewann die turbulente Handlung auf dem Wasser einiges an Attraktivität.

Sind mit dem Ableben des Helden Störtbeker auch die Festspiele gleichen Namens gestorben? »Im nächsten Jahr beginnen wir neu, mit anderen Geschichten, neuen Ideen und viel frischem Elan«, meint Peter Hick. Vorerst aber ist das Spektakel noch bis zum 30. August 1997 auf der Naturbühne in Ralswiek zu erleben.

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