Lomé ist gescheitert

  • Klaus Schilder
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Lomé, 28. Februar 1975: In der Hauptstadt Togos unterzeichneten die EU und die damals 46 aus kolonialer Kontrolle entlassenen Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum (AKP) das erste Partnerschaftsabkommen. Seit 2000 hat das Cotonou-Abkommen die Nachfolge der insgesamt vier Lomé-Verträge angetreten. Der große Jubel zum 30. Jahrestag blieb dennoch aus. Daran ist nicht zuletzt George W. Bush schuld. Denn die USA-Regierung hat in ihrem besessenen Kampf gegen den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) viele AKP-Staaten unter politischen Druck gesetzt. Die Bush-Regierung zwang zahlreiche Länder, Verträge über den oftmals verfassungswidrigen Schutz von USA-Bürgern vor Verfolgung durch den Haager Gerichtshof abzuschließen. Wenn die AKP-Seite in den laufenden Cotonou-Revisionsverhandlungen nun europäischen Forderungen zu einer verpflichtenden Zusammenarbeit mit dem ICC nachkommt, drohen die USA mit sofortiger Streichung umfassender Militär- und Wirtschaftsbeihilfen für ICC-Mitglieder wie Nigeria, Ghana, Uganda oder Senegal. Einziger Ausweg aus der Zwickmühle hegemonialer Interessenpolitik: Den AKP-Staaten wird bis auf weiteres der Beitritt zum ICC gestundet. Ernüchternd ist zudem die Bilanz der 30-jährigen Entwicklungsehe. Über die Hälfte der AKP-Staaten gehören noch immer zu den ärmsten der Welt. Die Umsetzung der 2000 beschlossenen Millenniums-Entwicklungsziele ist in Subsahara-Afrika in weite Ferne gerückt. Dort wird der Anteil der Menschen in extremer Armut dem jüngsten UN-Bericht über die menschliche Entwicklung zufolge nicht vor 2129 halbiert sein, und die Kindersterblichkeit um zwei Drittel zu senken wird erst in hundert Jahren gelingen. Gemessen an ihrem hohen Anspruch, die kolonialen Abhängigkeiten durch eine neue gleichberechtigte Entwicklungspartnerschaft zu ersetzen, sind die vier Lomé-Abkommen eklatant gescheitert. Schuld daran ist nicht zuletzt ein kapitaler Geburtsfehler: Hoch subventionierte und daher konkurrenzlos billige EU-Agrarexporte überschwemmen bis heute die Märkte der AKP-Staaten und trugen so über Jahrzehnte zur Zerstörung einheimischer Wirtschaftszweige bei. Der vermeintliche Ausweg liegt in einer marktradikalen Flucht nach vorn. Die EU drängt die AKP-Staaten im Rahmen regionaler Freihandelsabkommen (EPA) ab 2008 zur vollständigen Öffnung ihrer Märkte für europäische Waren, Dienstleistungen und Investitionen. Die EU schweigt sich über die Vorteile dieser neoliberalen Gleichmacherei aus. Aber die AKP-Staaten stehen mit dem Rücken zur Wand. Den schwindenden Wert bestehender Handelspräferenzen können sie nur gegen Preisgabe zusätzlicher Konzessionen bewahren, bei der Gleichbehandlung ungleicher Partner nur verlieren. Fair geht - auch in einer Vernunftehe - anders. Emanzipatorische Kräfte in den AKP-Staaten und der EU fordern daher unter dem Motto »Stopp EPA« den sofortigen Abbruch der Verhandlungen über Freihandelsverträge. Statt Blockade steht für sie die Schaffung legitimer handelspolitischer Spielräume zur Diskussion - jenseits der vordergründigen Freihandelsphilosophie. In einer Ehekrise ist externer Rat oftmals hilfreich. Vorausgesetzt, er wird von beiden Seiten akzeptiert. Sand im Getriebe des regionalen Handelspokers kann dabei helfen, die Handelspolitik der großen Industrienationen im Interesse eines fairen und na...

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