Keine Stimme gegen Sonia Gandhi

Zum dritten Mal wurde die gebürtige Italienerin zur Chefin der Kongresspartei gewählt

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum dritten Mal seit März 1998 wurde Sonia Gandhi zur Präsidentin der ältesten politischen Formation Indiens, der Kongresspartei (Indischer Nationalkongress), gewählt - diesmal ohne eine einzige Gegenstimme.
Am Wochenende war in Sonia Gandhis Residenz im Herzen Neu Delhis der Teufel los: Knaller, Luftballons, Gesänge, Tänze, ausgelassene Stimmung, kalte Getränke und Süßigkeiten. Der Strom der Besucher riss nicht ab, die der alten neuen Präsidentin des Indischen Nationalkongresses zu ihrer Wiederwahl als Parteichefin gratulieren wollten. Zuvor hatte Kongress-Sprecher Oscar Fernandes bekannt gegeben, dass Sonia Gandhi von 100 ranghohen Parteimitgliedern für weitere vier Jahre nominiert worden war. Der 57-Jährigen war der Trubel offensichtlich aber zu viel. Nach ein paar mahnenden Worten an die Gäste, sich nicht in Selbstzufriedenheit zu wiegen, sondern härter als je zuvor für die Partei zu arbeiten, entschwand sie in die kühlen Räume ihres Hauses. Bei Temperaturen von über 40 Grad gingen die Feiern im Freien jedoch weiter. Sonia Gandhis Wahl war keine Überraschung - vor allem, weil es in der Partei derzeit keine Alternative zu der aus Italien stammenden Witwe des 1991 ermordeten Premiers Rajiv Gandhi gibt. Als sie im März 1998 das Ruder in die Hand nahm, um die Partei vor dem Untergang zu retten, galt sie zwar als ambitioniert, aber politisch unerfahren und profillos. Hinzu kam die vernichtende Niederlage des Kongresses bei den Parlamentswahlen 1999. »Aus und vorbei«, titelten die Medien damals einhellig. Doch Sonia Gandhi gab nicht auf. Mit unerwarteter Energie machte sie sich ans Werk, die Strukturen der überalterten Partei zu reformieren und jungen Leuten eine Chance zu geben. Sie polierte das traditionelle Kongress-Image als »Partei der kleinen Leute« auf und suchte nach Partnern in anderen Parteien, um ein Gegengewicht zur damals regierenden hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP) zu schaffen. Bei dieser Umgestaltung gewann sie an Format. Sie strafte die Kritiker Lügen und half der Kongresspartei aus der Talsohle. Bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr schlug sich das in 145 Sitzen nieder, sieben mehr als die BJP. Zu einer »Ikone« - so die Tageszeitung »The Hindu« - wurde sie aber erst durch die Bildung der regierungsfähigen Vereinten Progressiven Allianz und ihrer sensationellen Entscheidung, auf das Amt der Premierministerin zu verzichten. Seitdem fällt es selbst der stets giftigen Opposition schwer, substanzielle Kritik an Frau Gandhi zu üben. Die Präsidentin weiß, dass noch eine Menge zu tun bleibt, vor allem dass ihre Partei noch lernen muss, eine Koalition nicht selbstherrlich zu dominieren, sondern feinfühlig und tolerant zu führen. Eine Art Arbeitsteilung scheint ihr bereits gelungen: Der 72-jährige Premier Manmohan Singh erledigt die Regierungsarbeit ohne sichtliche Einmischung der Parteichefin. Die kümmert sich stattdessen um innerparteiliche Angelegenheiten und Personalfragen. Sonia Gandhi selbst präsentiert sich als links von der Mitte agierende Politikerin, die sich unter Vertretern der Bürgergemeinschaft, von Nichtregierungsorganisationen und unter Umwelt- und Sozialaktivisten wohl zu fühlen scheint und mehr Akzeptanz unter den Benachteiligten und Minderheiten findet als unter der Elite. Der unbestechliche und trotz seines Alters dynamisch arbeitende Premier dagegen verfügt über beträchtlichen Spielraum für marktwirtschaftliche Reformen, jedoch stets unter den Maßgabe, dass diese auch »Aam Admi« - dem kleinen Mann - von Nutzen sind. Laut Umfrage der »Times of India« glauben 59 Prozent der Inder, die Kooperation zwischen beiden Politikern habe sich günstig auf Indiens Entwicklung ausgewirkt. Immerhin schätzten 60 Prozent die Leistung der Regierung nach einem Jahr als gut oder sogar ausgezeichnet ein.
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