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  • Politik
  • Eine verdienstvolle Reihe: Ansichten zur DDR-Geschichte

Betrachtungen - fern von Nostalgie wie auch von offizieller Lesart

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Karl-Heinz Winter

Bereits 1993 ist von den Vertretern der PDS-Bundestagsgruppe in der Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte der erste Band der Reihe »Ansichten zur Geschichte der DDR« publiziert worden. Die Reihe war als kritische Begleitung der Tätigkeit der Enquete-Kommission konzipiert und hat diese Aufgabenstellung im wesentlichen erfüllen können. In der Reihe erhielten namhafte Historiker und Sozialwissenschaftler, aber auch Politiker die Möglichkeit, ihre durchaus kontroversen »Ansichten« zur Geschichte der DDR darzulegen, die am 7. Oktober 1949 gegründet wurde und nur knapp ihr 40. Jubiläum überdauert hat. Sie tun dies im Widerspruch zum mehr oder weniger offiziellen Bild über die DDR in der heutigen Bundesrepublik.

Mit den beiden jüngsten Bänden wird nun, nachdem die Enquete-Kommission ihre Tätigkeit beendete und mit einer Wiederbelebung dieses Gremiums in der nächsten Legislaturperiode nicht zu rechnen ist, eine insgesamt elfbändige Edition

vorläufig abgeschlossen - wohl wissend, daß noch viele Forschungslücken fortbestehen.

Im Doppelband IX/X ziehen Ludwig Elm, Dietmar Keller und Reinhard Mocek Bilanz der Kommissionstätigkeit seit 1992, die sich laut offizieller Bezeichnung in der Zweitauflage der »Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit« widmen sollte. »Wir wollen die DDR nicht wiederhaben. Wir lassen sie uns auch nicht nehmen«, lautet ihr Fazit. Weitere Beiträge von Karl Heinz Roth über den Einfluß der Totalitarismustheorie auf die Arbeit der Enquete-Kommission sowie die politische Kultur in der BRD, von Siegfried Prokop zu »Glanz und Elend des Jahres 1989/90« sowie von Wilfriede Otto und Lutz Prieß über den Umgang der PDS mit Gedenkstätten mit »doppelter Vergangenheit« bzw. der »Gedenkstätten zur Erinnerung an politisches Unrecht in der SBZ/DDR« finden sich in dieser Publikation.

Der erst vor wenigen Tagen erschienene Band XI ist anders strukturiert, jedoch höchst informativ Er enthält wichtige Dokumente, wie die Gemeinsame Erklärung des Parteivorstandes und der

Bundestagsgruppe zum Abschlußbericht der Enquete-Kommission, den von allen anderen Fraktionen abgelehnten Entschließungsantrag der PDS-Bundestagsgruppe zum Schlußbericht sowie die Minderheitsvoten der PDS. Hinzu kommen u. a. längere Beiträge zum Bildungssystem der DDR (Dieter Kirchhöfer), zu Faschismus, Antifaschismus und »verordneter Antifaschismus« (Kurt Finker), zur Wirtschaft in den neuen Ländern (Klaus Steinitz), zum Verhältnis von Kaltem Krieg, deutscher Zweistaatlichkeit und internationaler Sicherheit in der europäischen Nachkriegsordnung (Harald Neubert) sowie zur Entwicklung der deutschdeutschen Beziehungen in der Ära Honecker (Detlef Nakath). Die meisten der insgesamt neun Beiträge dieses Bandes waren zugleich Zuarbeiten für die Minderheitsvoten der PDS. Dem vorläufig letzten Band ist ein thematisch geordnetes - nach 15 Themengruppen gegliedertes - Verzeichnis aller in den bisherigen elf Bänden erschienenen Beiträge angefügt.

Verschiedentlich wird in öffentlichen Diskussionen oder auch in den Medien der PDS vorgeworfen, sie würde die Auf-

arbeitung der DDR- und SED-Geschichte vernachlässigen und der »DDR-Nostalgie« Vorschub leisten. Andere Kritiker der PDS bemängeln, daß das Geschichtsbild der Partei heute nicht mehr erkennbar sei. Die elf Bände der »Ansichten« geben Antwort auf beide Vorwürfe: Die PDS und die in ihrem Umfeld agierenden politischen Bildungsvereine, vor allem in Berlin, Potsdam, Leipzig, Magdeburg und Jena, haben in den letzten Jahren mit einer Vielzahl von Veranstaltungen und Publikationen die Ernsthaftigkeit der Geschichtsdiskussion unter Beweis gestellt. Vieles davon floß auch in die »Ansichten«-Bände ein. Aus denen wird aber auch deutlich: Das Geschichtsbild der PDS gibt es glücklicherweise nicht. Hingegen ist ein pluralistisches Herangehen spürbar, unterschiedliche wissenschaftliche Methoden und Schulen kommen zu Wort. Daß noch mancher Autor vor einer Publikation seiner Forschungsergebnisse in einer von der PDS herausgegebenen Reihe zurückschreckt, spricht hingegen nicht gerade für den vielbeschworenen Pluralismus in der bundesdeutschen Wissenschaftslandschaft. Erfreulich: In dieser Reihe immerhin meldeten sich auch westdeutsche Forscher zu Wort.

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