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  • Politik
  • Die Ellenbogen-Gesellschaft

Tödliches Prinzip

  • Edda Seifert
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Konkurrenz und der Tod« ist der Originaltitel einer Arbeit des Franzosen Philippe Thureau-Dangin. Die fünf Worte erfassen bündig das Credo eines mit sachlicher Leidenschaft vorgetragenen Textes: Wer sich der Konkurrenz bedingungslos unterwirft, endet mit dem Tod. Es ist nicht ganz zu verstehen, warum der Verlag für die deutsche Ausgabe einen anderen Titel wählte. So geht in der Überschrift viel von der Dringlichkeit verloren, mit der der Autor sein Anliegen verfolgt.

Thureau-Dangins fundierte Kritik am wuchernden Konkurrenzprinzip kann als nötige und sinnvolle Ergänzung anderer kapitalismuskritischer Publikationen der letzten Jahre gelten: Forrester »Terror der Ökonomie«, Baier »Volk ohne Zeit«, Sennet »Der flexible Mensch«, Martin / Schumann »Die Globalisierungsfalle« etc. Thureau-Dangins spürt nicht nur den praktischen Auswirkungen des Konkurrenzmodells in Geschichte und Gegenwart nach, er zeichnet auch einen Abriß der geisteswissenschaftlichen Entwicklung der Konkurrenzidee. Und er kritisiert zugleich das Unvermögen gegenwärtiger Wirtschaftswissenschaft.

Wie andere kapitalismuskritische Autoren vollzieht Thureau-Dangin seine

Analyse letztlich zutiefst kulturkritisch. Er stößt dabei z. B. auf die Frage nach der Schnelligkeit wirtschaftlicher Abläufe, die weder dem Individuum noch der Gesellschaft angemessen ist, die beide überfordert, und er stößt auf die Befangenheit unseres Wirtschaftens, Denkens und Lebens im protestantischen Arbeitsethos. Die Lektüre des Buches sei empfohlen, vor allem jenen, die nach neuen Strategien und Auswegen suchen. Allerdings sind manche Aussagen kritisch zu lesen und zu prüfen, ob sie in ihrer absoluten Formulierung stehen bleiben dürfen. Gleich im Vorwort heißt es beispielsweise, die Konkurrenz »ist vielmehr zum herrschenden Modell der Beziehungen zwischen den Menschen geworden; nicht einmal das Gefühlsleben bleibt davon verschont«. Dieser Satz erinnert an die sozialpsychologischen Befunde von Maaz. Zudem: Wer nach Auswegen sucht, wird nicht beim Studium des Verhängnisses stehenbleiben können, er wird sich stärker auf die Potenzen für diese Auswege im Realen konzentrieren müssen. Das kommt bei Thureau-Dangin (wie bei anderen) leider zu kurz.

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